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Eingliederungshilfe

Gewinnzuschläge und Geschäftsführergehälter refinanzieren

Aufwind für Gewinnzuschläge und die Refinanzierung von Geschäftsführergehältern verleihen eine Entscheidung des Bundessozialgerichts und eine der schleswig-holsteinischen Schiedsstelle.

Gewinnzuschläge

Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG, B 8 SO 8/20 R) stellt nun endlich auch für den Bereich der Eingliederungshilfe klar, dass die Vergütung so bemessen sein muss, dass sie bei wirtschaftlicher Betriebsführung auch das Unternehmerrisiko angemessen berücksichtigt. Die Leistungsträger beriefen sich in Verhandlungen jedoch regelmäßig darauf, dass – anders als im Recht der Pflegeversicherung, für das das BSG bereits entsprechend geurteilt hatte – eine Rechtsgrundlage für einen Gewinnzuschlag nicht gegeben sei. Die Rechtsprechung des BSG zum Pflegebereich sei nicht übertragbar, denn zwischenzeitlich habe der Gesetzgeber durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) die Regelungen für Vergütungsvereinbarungen der Eingliederungshilfe, neu gefasst in den Regelungen der §§ 123 ff. SGB IX, keine Berücksichtigung des Unternehmerrisikos vorgesehen. Diesen Einwand hat das BSG ausdrücklich für die alte Rechtslage nach §§ 75 ff. SGB XII wie auch für die aktuelle nach §§ 123 ff., SHGB IX ausgeräumt: Schon seit der Umstellung des Vergütungssystems von einem Selbstkostendeckungssystem auf das prospektive Entgeltsystem im Jahr 1994 stehe die Berücksichtigung einer kalkulatorischen Gewinnchance mit einer leistungsgerechten Vergütung in Einklang.

Refinanzierung von Geschäftsführergehältern

Die Schiedsstelle SGB IX in Schleswig-Holstein hat bundesweit erstmals entschieden: Tarifvertragliche Regelungen stehen der geltend gemachten Refinanzierung außertariflicher, also höherer Geschäftsführer- oder Vorstandsgehälter nicht entgegen. Nach dieser ersten, grundsätzlichen Entscheidung hatte die Schiedsstelle die wirtschaftliche Angemessenheit des konkreten Gehalts zu bewerten. Dies konnte sie, da die Leistungserbringerin ein von Curacon eigens für dieses Verfahren erstelltes Benchmarking vorgelegt hatte, in das aus einem bundesweiten Datenpool entsprechende Erhebungen für die Branche einge flossen waren, die verdeutlichten, dass das in Rede stehende Gehalt ohne Zweifel innerhalb desjenigen von Geschäftsführern oder Vorständen vergleichbarer Unternehmen liegt. Einwendungen des Leistungsträgers gegen das Benchmarking, das die Schiedsstelle als „externen Vergleich“ heranzog, wies die Schiedsstelle zurück: Insoweit hätte er seinerseits entsprechende Daten vorlegen müssen.

Frischer Wind auch für die Kinder- und Jugendhilfe

Das Verwaltungsgericht München hat das Urteil des BSG aufgegriffen. Die Grundsätze zum Unternehmergewinn seien auch auf das Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII) übertragbar.

FAZIT

Der Aufwind, den diese Entscheidungen verspüren lassen, darf nicht verfliegen, sondern muss die laufenden und künftigen Vergütungsverhandlungen beflügeln. Diese Chance sollten Leistungserbringer ab sofort nutzen und ggf. auch in Schiedsstellen- und gerichtlichen Verfahren durchsetzen.

Dieser Artikel stammt aus unserem Mandantenmagazin Curacontact, das 4 x im Jahr aktuelle Themen für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft, für Öffentlichen Sektor und Kirche aufbereitet. Interesse? Jetzt kostenlos abonnieren!

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