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Für IT-Sicherheit umsatzsteuerfrei!

IT-Sicherheit und Cybercrime – das sind zwei Themenbereiche, denen sich immer stärker auch Unternehmen der Sozialwirtschaft stellen müssen. In diesem Spannungsfeld kann die seit 2020 geltende Umsatzsteuerbefreiung für Kostenteilungszusammenschlüsse nach § 4 Nr. 29 UStG eine entscheidende Erleichterung bringen.

§ 4 Nr. 29 UStG – Umsatzsteuerbefreiung für Kostenteilungsgemeinschaften

Sich mit Themen der IT-Sicherheit und Cybercrime auseinanderzusetzen ist auch für Unternehmen der Sozialwirtschaft inzwischen unausweichlich. Die Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie ist nicht mehr nur Kür, sondern eine Pflicht. Dem stehen der Fachkräftemangel und der Kostendruck, den viele Unternehmen verspüren, entgegen.

In diesem Spannungsfeld kann die seit dem 1. Januar 2020 geltende Steuerbefreiung für Kostenteilungszusammenschlüsse nach § 4 Nr. 29 UStG eine entscheidende Erleichterung bringen. Hierdurch könnte beispielsweise IT-Infrastruktur, die auf die Bedürfnisse der Mitglieder zugeschnitten ist, bereitgestellt werden, ebenso könnten Betrieb, Betreuung oder Administration wahrgenommen werden.

Die Vorschrift des § 4 Nr. 29 UStG befreit sonstige Leistungen von selbstständigen, im Inland ansässigen Zusammenschlüssen von Personen. Diese im Zusammenschluss organisierten – ihrerseits im Inland ansässigen – Personen (Mitglieder) müssen eine dem Gemeinwohl dienende nichtunternehmerische Tätigkeit oder eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit ausüben, die nach § 4 Nr. 11b, 14 bis 18, 20 bis 25 oder 27 UStG steuerbefreit ist.

Die Steuerbefreiung gilt ausschließlich für Leistungen des Zusammenschlusses an seine Mitglieder, wenn diese die (empfangenden) Leistungen für unmittelbare Zwecke der Ausübung der (ihrer) vorgenannten Tätigkeiten (Ausgangsumsätze) verwenden. Der Zusammenschluss darf von seinen Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern.

Die Steuerbefreiung greift nur dann, wenn sie selbst nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Ein dazu ergangenes Das BMF-Schreiben vom 19. Juli 2022 stellt zunächst kurz die unionsrechtliche Grundlage des § 4 Nr. 29 UStG dar. Als Ziel der Norm wird benannt, „bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten von der Umsatzsteuer zu befreien, um den Zugang zu diesen Leistungen unter Vermeidung von höheren Kosten zu erleichtern [...]“

Mögliche Rechtsformen

Voraussetzung ist zunächst ein selbstständiger Personenzusammenschluss. Dabei ist die Rechts und Organisationsform unerheblich. Als in Betracht kommende Rechtsformen nennt das BMF-Schreiben: Personen- und Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, Vereine, Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaften nach dem WEG oder am Rechtsverkehr teilnehmende Bruchteilsgemeinschaften, Zweckverbände, Berufsverbände, Anstalten des öffentlichen Rechts und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts.

Ausdrücklich möglich ist auch eine Organisation als eingetragene Genossenschaft (eG). Dies ist insofern von Bedeutung, als dass seit der Reform des Gemeinnützigkeitsrechts 2020 eine gemeinnützige Kooperation mit einer eG möglich ist. Gleichwohl ist die Gemeinnützigkeit keine Voraussetzung für den § 4 Nr. 29 UStG.

Leistungen der Kostenteilungsgemeinschaft

Nach dem Gesetz sind nur sonstige Leistungen der Kostenteilungsgemeinschaft an ihre Mitglieder nur dann umsatzsteuerfrei zu behandeln, wenn die Mitglieder diese Leistungen für nicht steuerbare oder für die in der Norm abschließend aufgezählten steuerbefreiten Tätigkeiten unmittelbar verwenden – ansonsten besteht Steuerpflicht. Leistungen an Nichtmitglieder sind ebenfalls möglich, jedoch steuerpflichtig. Gleiches gilt bei einem Auslandsbezug.

Nach dem BMF-Schreiben vom 19. Juli 2022 soll eine unmittelbare Verwendung von empfangenen Leistungen seitens der Mitglieder/Gesellschafter zur Inanspruchnahme der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 29 UStG beispielsweise dann gegeben sein, wenn – aus dem früheren § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG übernommen – Praxis- und Apparategemeinschaften Laboruntersuchungen, Röntgenuntersuchungen und andere medizinisch-technische Leistungen für ihre Mitglieder ausführen.

„Auf die Bedürfnisse der Mitglieder zugeschnitten

Gleiches soll nach dem BMF-Schreiben gelten, wenn durch den Zusammenschluss IT-Infrastruktur, die „auf die Bedürfnisse der Mitglieder“ zugeschnitten ist, bereitgestellt und ihr Betrieb, die Betreuung oder die diesbezügliche Administration übernommen wird. Leistungen zum Zwecke von IT-Sicherheit und des Datenschutzes sollen hiervon ebenfalls umfasst sein.

Was unter einer IT-Infrastruktur, die „auf die Bedürfnisse der Mitglieder zugeschnitten ist“, zu verstehen ist, ist aktuell noch ungeklärt. Es stellt sich die Frage, ob hierunter angepasste Standardsoft ware zu verstehen ist oder ob eine speziell für die Mitglieder entwickelte Software überlassen werden muss. Gegen Letzteres spricht die Wortwahl der Ausführungen im BMF-Schreiben. Ein Zuschneiden auf die Bedürfnisse setzt eine bereits existierende allgemeine Software voraus. Zudem dürfte der Begriff des „Zuschneidens“ im Sinne einer Anpassung weitaus weniger weitgreifend sein als ein vollkommen neues Erstellen nach den Bedürfnissen und den Vorgaben des Nutzers. Es stellt sich die Frage, welchen Umfang eines solchen „Zuschneidens“ die Finanzverwaltung verlangt. Jedenfalls wird man aber das alleinige Zulassen der Überlassung von Spezialsoftware im Rahmen des § 4 Nr. 29 UStG ablehnen müssen.

Finale Rechtssicherheit dürfte hier über einen Antrag auf verbindliche Auskunft zu erreichen sein, der vor der Realisierung des Sachverhalts bei der zuständigen Finanzbehörde kostenpflichtig gestellt werden kann.

Genaue Kostenerstattung

Sowohl die deutsche Norm des § 4 Nr. 29 UStG als auch deren europarechtliche Grundlage in Gestalt des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL macht die Umsatzsteuerbefreiung davon abhängig, dass die Kostenteilungsgemeinschaften von ihren Mitgliedern „lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten“ fordern.

Was unter der „genauen“ Erstattung zu verstehen ist, lässt das Gesetz jedoch offen. Die Verwendung des Wortes „lediglich“ bringt bereits zum Ausdruck, dass es sich bei dem reinen Kostenersatz um weniger handelt, als zwischen fremden Dritten üblich sein dürfte. In diesem Sinne stellt das BMF sogleich weiter fest, dass ein pauschaler Aufschlag auf die tatsächlichen Ausgaben für die Erbringung der Leistung schädlich sei.

Die Finanzverwaltung sieht etwaige gleichwohl erzielte Gewinne nur dann als unschädlich an, wenn diese ausschließlich dazu bestimmt sind, der Finanzierung künftiger Investitionen zu dienen. Beispielhaft nennt das BMF eine Gewinnerzielung durch die Vereinbarung einer jährlichen Umlage. Welche Anforderungen an das „Bestimmtsein“ dieser Überschüsse gestellt werden, bleibt im BMF-Schreiben allerdings offen.

Praxisfragen

Unternehmen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft erbringen in der Regel sowohl umsatzsteuerfreie als auch umsatzsteuerpflichtige Leistungen. Für den Nachweis einer „bloßen Kostenabrechnung“ der nach § 4 Nr. 29 UStG erbringenden Leistungen dürfte es unseres Erachtens ausreichen, wenn diese innerhalb eines Unternehmens im Rahmen einer eigenständigen Kostenstelle abgebildet werden. Werden darüber hinaus Leistungen an Nichtmitglieder/-gesellschafter erbracht, sind diese umsatzsteuerpflichtig abzurechnen bzw. bezüglich der Preiskalkulation nicht an eine (maximale) Kostenabrechnung gebunden.

In der Praxis von Unternehmen der Gesundheits und Sozialwirtschaft könnte es sich beispielsweise auch anbieten, zur umsatzsteuerfreien Beförderung hilfsbedürftiger Personen einen Fahrzeugpool zu betreiben, der im Rahmen des sog. Wet-Lease mit Personal an die Mitgliedsunternehmen gegen Kostenerstattung vermietet wird.

Für die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 29 UStG kämen neben einer Neugründung entsprechender Kostenzusammenschlüsse grundsätzlich auch bestehende Träger, wie eingetragene Vereine oder GmbHs, in Betracht. Das für die Inanspruchnahme der Umsatzsteuerbefreiung erforderliche Mitglieder-/Gesellschaftsverhältnis könnte hier über den Erwerb von neuen Anteilen infolge einer Kapitalerhöhung begründet werden.

Fazit

Die gesetzliche Regelung zur Umsatzsteuerbefreiung für Kostenzusammenschlüsse nach § 4 Nr. 29 UStG hat mit der Konkretisierung der Tatbestandsmerkmale durch das BMF-Schreiben vom 19. Juli 2022 z. B. auch für geplante IT-Kooperationen an Klarheit gewonnen. Angesichts unverändert fortbestehender Unwägbarkeiten bezüglich der Auslegung der Vorschrift erscheint es gleichwohl zielführend, die Umsatzsteuerfreiheit für geplante Modelle im Wege einer verbindlichen Auskunft mit der zuständigen Finanzbehörde im Vorfeld abzuklären.

Dieser Artikel stammt aus unserem Mandantenmagazin Curacontact, das 4 x im Jahr aktuelle Themen für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft, für Öffentlichen Sektor und Kirche aufbereitet. Interesse? Jetzt kostenlos abonnieren!

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