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Neue Rechtsprechung bei Benutzungsgebühren

Änderung in zwei wesentlichen Punkten

Neues Urteil des OVG NRW zur Kalkulation der Benutzungsgebühren

Das OVG NRW hat mit Urteil vom 17. Mai 2022 eine seit nunmehr 1994 feststehende Rechtsprechung zur Kalkulation von kommunalen Benutzungsgebühren geändert. In der bislang von Kommunen angewandten und von der Rechtsprechung anerkannten Ermittlung und Berücksichtigung von kalkulatorischen Abschreibungen und Zinsen bei der Gebührenkalkulation sieht der zuständige 9. Senat an zwei Stellen nun einen Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG NRW.

Der doppelte Inflationsausgleich

Das Gericht hält die gleichzeitige Kombination einer Abschreibung der Entwässerungsanlagen mit ihrem Wiederbeschaffungszeitwert einerseits und einer kalkulatorischen Verzinsung des Anlagevermögens mit dem Nominalzinssatz (einschließlich Inflationsrate) andererseits nunmehr für unzulässig.

Zwar sei, wie das Gericht bisher stets argumentiert hatte, diese parallel angewandte Berechnung auch heutzutage noch “betriebswirtschaftlich vertretbar“ und daher mit dem Kommunalabgabengesetz grundsätzlich vereinbar, jedoch ist sie nach Auffassung des Gerichts nach §§ 75 ff. GO NRW rechtlich unzulässig, denn Zweck der Gebührenkalkulation dürfe danach nur sein, durch die Abwassergebühren nicht mehr als die dauerhafte Betriebsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung der Abwasserbeseitigung sicherzustellen. Der gleichzeitige Ansatz widerspreche diesem Kalkulationszweck, da er einen doppelten Inflationsausgleich berücksichtige.

Nominalzinssatz für Eigen- und Fremdkapital nicht mehr nach 50-jährigem Durchschnitt

Weiter hält das Gericht den ebenfalls von vielen Kommunen gesetzten Nominalzinssatz für Eigen- und Fremdkapital, der aus dem fünfzigjährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten zuzüglich eines pauschalen Zuschlags von 0,5 Prozentpunkten für höhere Fremdkapitalzinsen ermittelt wurde für nicht mehr gerechtfertigt. Er stelle daher keine angemessene Verzinsung für die Abwasserbeseitigungsanlagen mehr dar.

Das OVG hält es bei einer einheitlichen Verzinsung nur noch für angemessen, den zehnjährigen Durchschnitt dieser Geldanlagen ohne einen Zuschlag zugrunde zu legen.

Daraus ergäbe sich für das Jahr 2017 im entschiedenen Fall bei der Stadt Oer-Erkenschwick statt des Zinssatzes von 6,52 % nur noch ein Zinssatz von 2,42 %. Die zulässigen kalkulatorischen Zinssätze werden also in erheblichem Umfang sinken.

Was sind die Konsequenzen?

Auf Grund dieses Urteils werden die meisten Kommunen in NRW ihre Gebührenkalkulation nicht nur zum Veranlagungszeitraum 2023 sondern auch schon in den Nachkalkulationen zur Ermittlung von Über- oder Unterdeckungen der laufenden Periode 2022 umstellen müssen.

Allein schon aufgrund des Rückgriffs auf eine 10-jährige Laufzeit bei den Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten wird es wohl zu häufigeren Gebührenanpassungen und damit zu Gebührensprüngen kommen. Allerdings dürften längst nicht alle Gebührenkalkulationen mit der kalkulatorischen Verzinsung zum Nominalzinssatz erfolgt sein. Sollte zulässigerweise z. B. der tatsächlich gezahlte Fremdkapitalzins herangezogen worden sein, sind diese Kalkulationen nicht zwangsläufig betroffen.

Da lediglich die Kombination von Abschreibung und kalkulatorischer Verzinsung durch das Gericht beanstandet worden ist, wird eine isolierte Anwendung entweder der Abschreibung nach Wiederbeschaffungszeitwerten oder der kalkulatorischen Verzinsung nach dem Nominalzinssatz weiterhin zulässig sein. Lediglich die Kombination beider Methoden ist als unzulässig verworfen worden. Hier wird man also Alternativberechnungen anstellen müssen, um herauszufinden, welcher Weg der bessere für die Kommune ist.

Insgesamt wird das Gebührenaufkommen für die Kommunen niedriger ausfallen. In den Fällen wo kalkulatorische Kosten zur Deckung von Haushaltsdefiziten beigetragen haben, werden andere Einnahmen generiert werden müssen.

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