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Pflegereform (PUEG)

Und Umsetzung der Tariftreue

Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) hatte der Gesetzgeber im Jahr 2021 neue Regelungen hinsichtlich der Voraussetzungen zur Zulassung von Pflegeeinrichtungen bei Abschluss eines Versorgungsvertrags und zur Wirtschaftlichkeit von Personalaufwendungen getroffen. Das Ziel war dabei, eine flächendeckende Entlohnung nach Tarif als wesentliches Element für eine Verbesserung der Bezahlung von Pflegekräften zu erreichen. In der Praxis bleiben viele Probleme und Umsetzungshürden bestehen.

Die Einführung der Tariftreue vor ca. zwei Jahren hat die Altenhilfebranche in Aufregung versetzt; für damals bereits tarifgebundene Träger aus dem kommunalen, freigemeinnützigen oder kirchlichen Bereich ergaben sich wenig Änderungen und die wirtschaftlichen Herausforderungen zum Umstellungsstichtag bzw. die damit verbundenen zeitlichen Harmonisierungsbedarfe zwischen Beginn der Tarifpflicht und Laufzeit der Pflegesatzvereinbarungen waren weniger dramatisch als bei den vielen privaten Trägern. Letztere rutschten in eine vollkommen neue Betrachtung.

Durchschnittsanwender überlegen zu wechseln

Während anfangs die meisten den sogenannten Weg der „Durchschnittsanwender“ (= regional übliches Entgeltniveau) wählten, haben einige nun mehr umgestellt oder planen dies zumindest. Denn: Zum einen reichen 10 % über dem veröffentlichten regional üblichen Niveau (=Refinanzierungsgrenze gem. Vergütungsrichtlinien) nicht aus, um Personal zu halten oder neue Mitarbeitende zu gewinnen, und zum anderen macht mitunter das nicht-pflegerische Personal in der Refinanzierung Probleme, das, im Gegensatz zur Tariflösung, nicht erfasst ist.

Problem der Prospektivität

Als großes Problem hat sich erwiesen, dass die Träger beim Abschluss der neuen Pflegesatzvereinbarung die Veränderungen im regional üblichen Entgeltniveau nicht wissen, sondern nur abschätzen müssen. Gleiches gilt bei noch laufenden Tarifverhandlungen. Zwar zeichnet sich aufgrund des Diskussionsstands, der Inflationsrate etc. im Vorfeld neuer Pflegesatzverhandlungen immer eine Tendenz/Größenordnung ab, letztlich ist die prospektive Betrachtung aber fehlerbehaftet. Den wirtschaftlichen Schaden trägt der Einrichtungsträger. Denn für die Anerkennung einer vorzeitigen Kündigung der laufenden Pflegesatzvereinbarung aufgrund gestiegener Personalkosten verweisen die Pflegekassen oftmals auf die Wesentlichkeitsgenze, die überschritten sein müsse und teilweise erst ab 5 % Kostensteigerung beim Pflegepersonal gesehen wird. Kleine Pflegereform bleibt hinter den Erwartungen zurück Die Branche klagt dementsprechend und natürlich auch aufgrund der inflationsgeschuldeten Sachkostensteigerung über insgesamt massiv steigende Kosten bei fehlender Refinanzierung, sodass das Insolvenzrisiko wächst. Die Politik hat mit einer Pflegereform geantwortet, jedoch ist das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) nach Auffassung der meisten Experten kein großer Wurf. Die Halbwertzeit bis zu einem neuen Reformvorstoß dürfte recht kurz ausfallen, zumal sich die angemeldeten Insolvenzfälle von zum Teil auch größeren Trägern in den letzten Monaten häufen. Sicherlich ist es zunächst einmal gut, dass die Bundesregierung erkannt hat, dass erneuter und auch dringender Reformbedarf in der gesetzlichen Pflegeversicherung, 28 Jahre nach deren Einführung, vorhanden ist. Dies war schon länger absehbar, spätestens mit der Tatsache, dass die Spahn'sche Pflegereform 2021 mit dem GVWG nur ein Reförmchen war. Der große Wurf, wie etwa die Umsetzung der Idee des sogenannten "Sockel-Spitze-Tausches", kam nicht. Ein struktureller Aufbruch ist im PUEG nicht zu erkennen. Kritisch ist die im Gesetz (erstmals) enthaltene Rechtsverordnungsermächtigung für die Bundesregierung, den Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung (künftig auch ohne Beteiligung des Parlaments) anpassen zu können. Dies ist rechtsstaatlich betrachtet ein sehr einschneidender Eingriff, der sich sicherlich negativ auf die weitere Reformfantasie des Gesetzgebers auswirken dürfte.

Konkret sind die wesentlichen Aspekte der neuen Reform durch das PUEG folgende:

Inhaltlich wichtig sind sicherlich die geplanten Leistungsverbesserungen bzw. Anhebungen bei den Pflegesachleistungen um 5 %, bei den prozentualen Zuschüssen zu den Eigenanteilen nach § 43c SGB XI um 5 bis 10 % und bei dem Pflegegeld um 5 %. Das soll allerdings erst zum 1. Januar 2024 greifen. Immerhin sollen ein weiteres Jahr später zum 1. Januar 2025 und dann zum 1. Januar 2028 Geld- und Sachleistungen regelhaft angepasst an die Preissteigerung dynamisiert werden. Zu begrüßen ist sicherlich auch, dass ein gemeinsamer Jahresbetrag aus den Leistungen von Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege eingeführt wird. Welches sind die Erfahrungen aus den bisherigen Vergütungsverhandlungen? Die Verhandlungen laufen aktuell und in den letzten drei bis vier Monaten besser als noch im Jahr 2022. Im letzten Jahr taten sich die Kostenträger mitunter schwer, die anziehende Inflation und Preissteigerungen prospektiv im nötigen Umfang mitzugehen. Hinsichtlich der Energiekosten ist der Druck durch den neuen § 154 SGB XI (Ergänzungshilfen) im Wesentlichen aus den Verhandlungen genommen, der ähnlich wie der damalige Corona-Schutzschirm gem. § 150 SGB funktioniert. Allerdings sind die verhandelbaren Lebensmittelkosten und Kosten für medizinisch-pflegerischen Bedarf oftmals Streitpunkte. Unverändert heftig gestritten wird in den Pflegesatzverhandlungen über Aspekte des Verwaltungsbedarfs. Bei den Personalkosten erleben wir derzeit immer weniger Konfliktpotenzial, die Umsetzung der Tariftreue erfolgt meist angemessen. Eine Ausnahme bildet hier die Refinanzierung des nicht-pflegerischen Personals bei Einrichtungen, die sich entweder nur einem Tarif anlehnen oder Durchschnittsanwender sind. Hier kommt das Servicepersonal, im Gegensatz zu den echten Tarifanwendern, häufig zu schlecht weg.

FAZIT

Pflegeeinrichtungen sollten ihre Personal- und Sachkosten monatlich controllen und ständig abgleichen mit den verhandelten Werten. „Nach der Verhandlung ist vor der Verhandlung.“ Strategisch gilt es abzuwägen, ob die Einrichtung sich möglicherweise nicht doch besser einem Tarif unterwirft, um eine bessere Refinanzierung der Hauswirtschaftskräfte und des Verwaltungspersonals zu erreichen. Auch die Frage des Outsourcings von Küche, Reinigung und Wäsche ist neu zu bewerten angesichts der aktuellen Rechtslage und Verhandlungspraxis.

Dieser Artikel stammt aus unserem Mandantenmagazin Curacontact, das 4 x im Jahr aktuelle Themen für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft, für Öffentlichen Sektor und Kirche aufbereitet. Interesse? Jetzt kostenlos abonnieren!

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