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PpSG – Neue Verjährungsfristen für Krankenhausleistungen

Rechtsfrieden durch Rückwirkung?

Bekanntermaßen haben Bundestag und Bundesrat das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) verabschiedet. § 109 SGB V wird um folgenden Absatz 5 ergänzt:

„Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen und Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen verjähren in zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Dies gilt auch für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen, die vor dem 1. Januar 2019 entstanden sind. Satz 1 gilt nicht für Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen, die vor dem 1. Januar 2019 entstanden sind. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.“

Mit der deutlichen Verkürzung der Frist zur Geltendmachung von Forderungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen untereinander auf zwei Jahre möchte der Gesetzgeber nach eigener Erklärung letztlich Rechtsfrieden zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen hinsichtlich lange zurückliegender Sachverhalte herbeiführen. Gerade aufgrund der wiederholt überraschenden Rechtsprechung des BSG wurden erhebliche Rückerstattungsansprüche durch die Kassen gegenüber den Krankenhäusern erhoben. Der Gesetzgeber selbst verweist hierbei auf die Entscheidungen des BSG zur halbstündigen Transportentfernung beim OPS-Code 8-981 und 8-98b vom 19.06.2018 (- B 1 KR 38/17 R – und – B 1 KR 39/17 R -).

Aus diesem Grund wirkt die Rückwirkung der verkürzten Verjährungsfrist auch nur gegen die Krankenkassen. Beruhigend für die Krankenhausseite ist, ausstehende Forderungen aus der Zeit vor dem 1. Januar 2017 gegenüber den Kassen nicht bis zum 30.12.2018 einklagen zu müssen.

Zudem wollte der Gesetzgeber offenkundig eine massenhafte Verrechnung eventuell offener Ansprüche der Kassen vermeiden und führt den § 325 SGB V ein, welcher eine Ausschlussfrist für Altfälle bis zum 9.11.2018 vorsieht:

Die Geltendmachung von Ansprüchen der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen ist ausgeschlossen, soweit diese vor dem 1. Januar 2017 entstanden sind und bis zum 9. November 2018 nicht gerichtlich geltend gemacht wurden.“

Wenig überraschend war, dass die Prozessflut dennoch eintrat und die Gerichte von Krankenkassenklagen am 08.11.2018 überflutet wurden. Der vom Gesetzgeber beabsichtigte Rechtsfrieden ist jedenfalls bisher nicht erreicht wurden.

Ist die Rückwirkung der verkürzten Verjährungsfrist für die Krankenhäuser damit aber tatsächlich unbeachtlich?

Fragen stellen sich insbesondere in den Altfällen, in denen die Krankenkasse Ansprüche der Krankenhäuser mit bestrittenen Rückerstattungsansprüchen bereits in der Vergangenheit verrechnet hat. Wenn diese streitigen Rückerstattungsforderungen der Kassen nun aufgrund der Rückwirkung sowie der Regelung des neuen § 325 Abs. 5 SGB V bei Forderungen aus der Zeit vor dem 1. Januar 2017 ausgeschlossen sind, was bedeutet dies für die Verrechnung?

Zumindest bei Verrechnungen in Folge der umstrittenen BSG-Rechtsprechung zur halbstündigen Transportentfernung bei Schlaganfällen, aber auch zu den hohen Anforderungen an die geriatrische Komplexbehandlung ist es sinnvoll, aktiv Klage zu erheben, um den einbehaltenen Betrag zu erhalten. Zwar besteht hier aufgrund der bekannten BSG-Rechtsprechung ein deutliches Prozessrisiko. Fakt ist aber auch: Werden die Klagen nicht erhoben, verzichtet das Krankenhaus endgültig auf die verrechneten Beträge.

Ob darüber hinaus auch in anderen Fällen eine Klage aufgrund von Verrechnungen empfehlenswert ist, ist im Einzelfall zu bewerten. Insbesondere bei Verrechnungen in der weiter zurückliegenden Vergangenheit stellen sich aufgrund der Formulierung des § 325 SGB V Fragen. Wenn alle Forderungen, die vor dem 1. Januar 2017 entstanden sind und nicht klageweise bis zum 9. November 2018 geltend gemacht wurden, ausgeschlossen sind, was ist dann mit den Verrechnungen, die vor dem 1. Januar 2017 erfolgt sind? Und wenn ja, was ist dann mit den Forderungen der Krankenhäuser, mit denen verrechnet wurde? Ginge man davon aus, dass es den Krankenkassen nicht mehr möglich wäre, sich auf diese Altforderungen zu berufen, müsste der klageweisen Geltendmachung dieser Ansprüche der Krankenhäuser entsprochen werden, da es den Krankenkassen verwehrt wäre, sich mit den eigenen Forderungen zu verteidigen. Ein solcher Effekt war sicherlich nicht vom Gesetzgeber gewollt, dennoch ließe er sich aufgrund des Wortlauts der Regelung wohl vertreten. Kam es im Jahr 2014 zur Verrechnung, müssen die Häuser noch dieses Jahr Klage erheben, um die am 31. Dezember 2018 ablaufende Frist zu hemmen. Ob sich in der Kürze der Zeit überhaupt ermitteln ließe, welche Fälle sinnvollerweise einer Klage zuzuführen sind, wäre im Einzelfall zu würdigen. Zumal zu bedenken ist, dass bis dato unklar ist, ob solche Altverrechnungen überhaupt von der Ausschlussfrist erfasst sind oder nicht, so dass bei Klageerhebung ein erhebliches Prozessrisiko einzukalkulieren ist.

Letztlich zeigt sich, dass im Zusammenhang mit der Neuregelung der Verjährungsfristen eine Vielzahl von Fragen offenbleiben. Es bleibt daher abzuwarten, ob die politischen Bemühungen und die angekündigte Gesprächsbereitschaft des GKV-Spitzenverbands erfolgreich sein werden, um den aktuellen desaströsen Zustand der Klage- und Verrechnungswelle der Kassen zu beseitigen.