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Nachbesserung des Bundesteilhabegesetzes

Welche Anpassungen kommen auf Sie zu?

Der „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Neunten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Rechtsvorschriften“ greift Anregungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe in deren Empfehlungen für die personenzentrierte Leistungserbringung in bisherigen stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe auf. Diese betreffen im wesentlichen Unklarheiten im SGB IX und XII, insbesondere hinsichtlich der Regelungen über Unterkunftskosten der besonderen Wohnformen im SGB XII (Grundsicherung bei dauerhafter Erwerbsminderung) in Folge der Trennung der existenzsichernden von den Fachleistungen.

Beabsichtigte Anpassungen:

Am 7. Juni 2019 hat sich der Bundesrat mit der Gesetzesvorlage beschäftigt. Zurzeit sind weitere Befassungen für September 2019 im Bundestag, im November 2019 dann die Verabschiedung sowie das Inkrafttreten 1. Januar 2020 beabsichtigt.

Allein diese Zeitschiene dürfte problematisch sein.

Denn verschiedene wichtige Anpassungen wären erst im November 2019 verlässlich bekannt. Dies betrifft beispielsweise die Ausweitung der Regelungen zur Übernahme von Unterkunftskosten in besonderen Wohnformen (ehemals stationäre Wohneinrichtungen) auf den Personenkreis der Berechtigten der Hilfe zum Lebensunterhalt. Bislang greift § 42a SGB XII insoweit nur für Personen, die grundsicherungsberechtigt – also dauerhaft voll erwerbsgemindert – sind.

Beabsichtigt ist folgende Klarstellung durch folgenden neuen Satz in § 35 Absatz 5 SGB XII: „Leben Leistungsberechtigte in einer Unterkunft nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3, sind Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 42a Absatz 5 und 6 anzuerkennen.“

Auch dieser Personenkreis muss aber unter Vorlage entsprechend überarbeiteter Unterkunftsverträge, die zuvor noch abgeschlossen werden müssen, rechtzeitig Anträge stellen sowie Bescheide erhalten. Es erscheint daher fraglich, ob dies mit Bekanntwerden der Änderungen im November 2019 sichergestellt ist; Vorbereitungs- und Bearbeitungszeiten bei Leistungserbringern und Leistungsträgern noch ganz unbeachtet.

In Bezug auf die grundsätzlichen Regelungen zur Übernahme von Unterkunftskosten in besonderen Wohnformen ist ferner eine weitere Ergänzung erforderlich und geplant. Hierbei geht es um die Schaffung einer Anspruchsnorm im SGB IX, die die im SGB XII vorgesehen Übernahme von über 125% der Wohnkosten hinausgehenden Aufwendungen sicherstellen soll. In der Bundesrat Drucksache 196/19, Bearbeitungsstand 26.04.2019, lautet die Formulierung ausweislich des beabsichtigten § 113 Abs. 5 SGB IX wie folgt:

 „In besonderen Wohnformen des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches werden Aufwendungen für Wohnraum oberhalb der Angemessenheitsgrenze nach § 42a Absatz 6 des Zwölften Buches übernommen, sofern dies wegen der besonderen Bedürfnisse des Menschen mit Behinderungen erforderlich ist. Kapitel 8 ist anzuwenden.“

Die Formulierung ist unseres Erachtens geeignet, weitere Unsicherheiten zu schaffen.

Hier stellen sich verschiedene Fragen:

Welches sind die besonderen Bedürfnisse? Die Bundesratsdrucksache beantwortet dies u.a. so:

„Mit den in § 113 Absatz 5 SGB IX erwähnten „besonderen Bedürfnissen des Menschen mit Behinderungen“ wird Bezug darauf genommen, dass neben dem Erfordernis eines im Einzelfall festgestellten objektiven Bedarfs auch die subjektiven Wünsche entsprechend § 104 Absatz 2 bis 4 SGB IX bei der Entscheidung über die Bewilligung der Leistung zu berücksichtigen sind.“

Nicht zuletzt der Gesamtplanung, die derzeit jedoch noch nicht flächendeckend durchgeführt wird, kommt auch insoweit – namentlich hinsichtlich des Umfangs und der Dauer der Kostenübernahme durch den Träger der Eingliederungshilfe für den 125 Prozent überschreitenden Anteil an den tatsächlichen Aufwendungen nach § 42a Absatz 6 Satz 2 SGB XII – eine Schlüsselfunktion zu. Positiv hervorzuheben ist, dass der Drucksache auch am Rande zu entnehmen ist, dass eine Hinzuziehung des Leistungserbringers als Beteiligter nach § 12 SGB X möglich ist.

Was verbirgt sich hinter der Formulierung, Kapitel 8 sei anzuwenden? Aus der Bundesrats-Drucksache:

„Das Vertragsrecht nach Kapitel 8 SGB IX wird nur aus Klarstellungsgründen ausdrücklich erwähnt. Die Anwendbarkeit des Vertragsrechts ergibt sich schon aus § 123 SGB IX.“ Dies setze voraus, dass „in der Regel eine schriftliche Vereinbarung des Trägers der Eingliederungshilfe mit dem Leistungserbringer über die entsprechenden Leistungen geschlossen wurde“.

Grundsätzlich ist es natürlich auf den ersten Blick systemgerecht, dass Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen bestehen. Es drängt sich aber gerade für die Übergangszeit zum 1. Januar 2020 (oder im Anschluss an etwaige Landesübergangsregelungen dann ab 2021 oder 2022) die Frage auf, ob es gelingen wird, die Vereinbarungen rechtzeitig abzuschließen; Schiedsstellenverfahren die sich über den 1. Januar 2020 hinausziehen werden, sind nicht vollkommen unwahrscheinlich. Daran schlösse sich aber dann wohl auch an, dass in dieser Zeit die Leistungen (in der Regel) nicht bewilligt werden könnten.

Dies sind nur einige Erwägungen zu den beabsichtigten Anpassungen von SGB IX und XII; es ließen sich vielfache weitere anstellen und nicht zuletzt weitere erforderliche und bislang nicht berücksichtigte Klarstellungen aufzeigen.

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