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(Keine) Umsatzbesteuerung für Lebensmittelkosten in besonderen Wohnformen

BMAS Schreiben vom 12. April 2019

Im Zuge der Einführung des BTHG war es das erklärte Ziel des Gesetzgebers, die Trennung von Fachleistungen und Leistungen zur Existenzsicherung rechtlich so zu gestalten, dass sie – im Vergleich zum bisherigen Rechtszustand – zukünftig nicht zu einer umsatzsteuerlichen Mehrbelastung für die Bewohner führt. Demgegenüber hat das BMAS mit Schreiben vom 12. April 2019 mitgeteilt, dass für Umsätze mit Nahrungsmitteln, die im Rahmen besonderer Wohnformen erbracht werden, künftig keine Umsatzsteuerbefreiung mehr in Betracht kommt. Begründet wird dies damit, dass im Unterschied zur bisherigen Unterbringungsform die Verpflegung nicht mehr untrennbar mit Pflege- und Betreuungsleistungen verbunden sein soll.

Die Bewertung übersieht nach unserem Dafürhalten, dass die mit der UN-BRK intendierte höhere Selbstbestimmung von Leistungsempfängern ihre Grenzen dort findet, wo Leistungsempfänger sich entscheiden, wie bisher von einem bestimmten Anbieter neben Wohnangeboten auch Fach- und Assistenzleistungen in Anspruch nehmen und der Anbieter im Rahmen eines WBVG-Vertrags die Aufgabe übernimmt, auch die für die Verpflegung notwendig zu verarbeitenden Lebensmitteln und Materialkosten der Hauswirtschaft zu beschaffen.

Zum Hintergrund

Ab dem 01.01.2020 werden zwischen dem Träger der Eingliederungshilfe und dem Leistungserbringer Leistungsvereinbarungen nur noch über die „Fachleistungen“ geschlossen. Dazu gehören als Leistungen der sozialen Teilhabe auch sog. „Assistenzleistungen“ gem. § 78 SGB IX wie zum Beispiel:

  • Übernahme von Handlungen zur Alltagsbewältigung im Sinne von Essenszubereitung,
  • Verpflegung,
  • Wäschedienst,
  • etc.

Neu ist lediglich, dass die Bewohner zukünftig aus den ihnen von der Grundsicherung gewährten Regelsätzen z. B. die Beträge für die Warenwerte der für Ihre Verpflegung verarbeiteten Lebensmittel nach den Regelungen des WBVG-Vertrags an den Unternehmer zu entrichten haben.

Die Weiterleitung entsprechender Beträge durch den Bewohner an den Leistungserbringer wirft die Frage auf, ob die Teilleistung „Lebensmittelkosten“ umsatzsteuerlich ggf. gesondert zu bewerten ist.

Nach den Regelungen des USTG zu § 4 Nr. 16 h) UStG sind von der Umsatzsteuer befreit die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung von Menschen mit Behinderung eng verbundenen Leistungen, mit denen eine Vereinbarung nach § 123 SGB IX oder § 76 SGB XII besteht. Es ist davon auszugehen, dass die Leistungserbringer von Angeboten besonderer Wohnformen auch die Bereitstellung der ggf. durch den Regelbedarfsatz zu finanzierenden Lebensmittel in den WBVG-Vertrag aufnehmen. Zivilrechtlich handelt es sich insoweit um sog. „verbundene Verträge“, die nach den Regelungen des Umsatzsteuer- Anwendungserlasses zu Abschnitt 4.12.6, Abs. 1 f. UStAE nach unserer Auffassung als sog. „Vertrag besonderer Art“ zu werten sind.

Daraus folgt, dass neben den Fach- bzw. Assistenzleistungen des SGB IX auch die damit eng verbundenen Wareneinkaufsleistungen nach § 4 Nr. 16 h) von der Umsatzsteuer befreit sein dürften.

Diesbezüglich ist dem BMAS zu raten, seine bisher geäußerte Auffassung noch einmal zu überdenken. Das BMF als Richtliniengeber sollte diesbezüglich ggf. eine Klarstellung der bisherigen umsatzsteuerlichen Regelungen prüfen.

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