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GmbH-Aufsichtsratssitzungen in Zeiten der Corona-Krise

Aufsichtsratsbeschlüsse in einer präsenzlosen Sitzung

Die seit Wochen andauernde Corona-Krise und die damit verbundenen stark beschränkten Versammlungsmöglichkeiten erschweren Gesellschaften mit beschränkter Haftung die Abhaltung von Gesellschafterversammlungen und Aufsichtsratssitzungen gleichermaßen. Der Gesetzgeber hat bereits reagiert und mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (nachfolgend „COVID-19-Gesetz“) in Rekordzeit eine Sonderregelung für die GmbH erlassen:

Nach Art. 2 § 2 des COVID-19-Gesetzes können Beschlüsse der Gesellschafter auch ohne Einverständnis aller Gesellschafter in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen gefasst werden.

Diese Erleichterung für die Durchführung eines Umlaufverfahrens betrifft aber ausschließlich die Gesellschafterversammlung als oberstes Organ. Der Aufsichtsrat einer GmbH wurde in dieser Sonderregelung dagegen nicht erwähnt, was natürlich auch darauf zurückzuführen ist, dass längst nicht jede GmbH einen Aufsichtsrat hat und es sich dabei in der Regel um ein „fakultatives Organ“ handelt, das im Gesellschaftsvertrag sehr unterschiedlich ausgestaltet werden kann. Eine entsprechende Anwendung der Sonderregelung auf den GmbH-Aufsichtsrat kommt u.E. aufgrund des eindeutigen Wortlauts wohl nicht in Betracht. Es stellt sich daher die Frage, ob Aufsichtsratssitzungen in Zeiten der Corona-Krise zwingend die physische Teilnahme der Mitglieder erfordern oder ob die Beschlussfassung auch ohne körperliche Zusammenkunft auf andere Weise erfolgen kann.

Für die Beantwortung dieser Frage ist zunächst die Ausgestaltung des konkreten Gesellschaftsvertrages maßgeblich: 

Sieht der Gesellschaftsvertrag vor, dass der Aufsichtsrat etwa im Wege eines Umlaufverfahrens oder in Form einer Video- oder Telefonkonferenz Beschlüsse fassen kann, steht der Abhaltung einer Aufsichtsratssitzung in dieser Form nichts im Wege.

Nicht selten schreibt der Gesellschaftsvertrag aber vor, dass der Aufsichtsrat nur dann beschlussfähig ist, wenn eine bestimmte Zahl oder ein bestimmter Bruchteil der Gesamtzahl der Aufsichtsratsmitglieder „anwesend“ ist. Die „Anwesenheit“ der Aufsichtsratsmitglieder setzt schon begrifflich ihre persönliche und körperliche Teilnahme an der Sitzung voraus, sodass die Abhaltung der Aufsichtsratssitzung in Form einer reinen Nichtpräsenzsitzung nicht möglich ist. Die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats ist vielmehr nur dann anzunehmen, wenn und soweit die für die Beschlussfähigkeit erforderliche Anzahl an Aufsichtsratsmitgliedern körperlich an der Sitzung teilnehmen. Soweit und solange die für die Beschlussfähigkeit erforderliche Zahl an Aufsichtsratsmitgliedern körperlich anwesend ist, kann die Aufsichtsratssitzung auch in Form einer kombinierten Sitzung stattfinden, indem die übrigen Aufsichtsratsmitglieder dieser Präsenzsitzung via Video- oder Telefonkonferenz zugeschaltet sind.

Trifft der Gesellschaftsvertrag keine Regelungen zur Abhaltung von Aufsichtsratssitzungen, bleibt es bei der Beschlussfassung im Rahmen einer Präsenzsitzung als gesetzlichem Regelfall. Nach einer vordringenden (aber noch umstrittenen) Meinung ist eine Videokonferenz mit gleichzeitiger Bild- und Tonübertragung einer Präsenzsitzung gleichzusetzen, soweit eine direkte und gleichzeitige audiovisuelle Kommunikation unter Sitzungsteilnehmern gewährleistet werden kann. Für diese Ansicht spricht auch der geänderte Wortlaut des § 110 Abs. 3 S. 2 AktG, der sowohl auf fakultative als auch obligatorische Aufsichtsräte der GmbH Anwendung findet:

Nach dieser Regelung hat der Aufsichtsrat Sitzungen „abzuhalten“, während früher verlangt wurde, dass der Aufsichtsrat „zusammentreten“ muss.

Dennoch ist hier mit Blick auf die in der Literatur weiterhin vertretene gegenteilige Ansicht, die u.a. auf die noch fehlende technische Gleichwertigkeit einer Videokonferenz zur Präsenzsitzung verweist, Vorsicht geboten: Im Interesse der Rechtssicherheit ist es ratsam, die Beschlussfassung im Rahmen einer Videokonferenz nur dann durchzuführen, wenn kein Aufsichtsratsmitglied dem Verfahren widerspricht. Bei wichtigen Entscheidungen ist es zudem empfehlenswert, die im Rahmen einer Videokonferenz gefassten Beschlüsse anschließend nochmal im Umlaufverfahren bestätigen zu lassen.

Da eine unmittelbare und gleichzeitige Kommunikation bei gleichzeitiger Sicht- und Hörbarkeit nicht gewährleistet werden kann, kann eine Sitzung in Form einer Telefonkonferenz eine Präsenzsitzung nicht ersetzen. Eine Aufsichtsratssitzung kann – vorbehaltlich einer näheren Regelung durch den Gesellschaftsvertrag – nur dann im Rahmen einer Telefonkonferenz erfolgen, wenn dem kein Aufsichtsratsmitglied widerspricht. Da bei einer Telefonkonferenz die Teilnahmeberechtigung und die Personenidentität nicht immer gewährleistet werden kann, sollte eine Beschlussfassung im Rahmen einer Telefonkonferenz – insbesondere bei wichtigen Entscheidungen – die Ausnahme bleiben.

Für die Durchführung eines Umlaufverfahrens gelten ebenfalls primär die Regelungen des Gesellschaftsvertrages. Trifft der Gesellschaftsvertrag dazu keine Aussage, kommt auch ein Umlaufverfahren nur dann in Betracht, wenn kein Aufsichtsratsmitglied dem Verfahren widerspricht.

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