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Kooperationen ohne Umsatzsteuer?

§ 4 Nr. 29 UStG befreit Kostenteilungsgemeinschaften

Mit Wirkung zum 1. Januar 2020 ist die Neuregelung des § 4 Nr. 29 UStG in Kraft getreten. Die Norm ermöglicht eine branchenunabhängige Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen, die dem Gemeinwohl unmittelbar dienen und von sogenannten Kostenteilungsgemeinschaften erbracht werden. Als exemplarische Anwendungsgebiete nennt die Gesetzesbegründung u. a.

  • Laboruntersuchungen,
  • Röntgenuntersuchungen und
  • andere medizinisch-technische Leistungen.

Die Steuerbefreiung soll dafür sorgen, dass eine aus ökonomischen und / oder organisatorischen Gründen sinnvolle Kooperation gemeinwohlorientierter Einrichtungen zukünftig nicht mehr durch eine Umsatzsteuerbelastung erschwert oder verhindert wird. Schließlich ist die Umsatzsteuer im Gesundheitswesen aufgrund des fehlenden Vorsteuerabzugs ein wesentlicher Kostenfaktor.

Voraussetzungen

Die Anforderungen für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung sind allerdings hoch. Folgendes setzt § 4 Nr. 29 UStG voraus:

  • Selbstständiger Personenzusammenschluss
    Denkbar sind hier sowohl Personen- als auch Kapitalgesellschaften. Wichtig ist, dass die Gesellschaft umsatzsteuerlich selbstständig, also nicht Teil einer bestehenden umsatzsteuerlichen Organschaft ist.
  • Mitglieder, die dem Gemeinwohl dienen
    Die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen müssen bestimmte steuerfreie oder nichtunternehmerische Tätigkeiten ausüben. Dazu zählen Heilbehandlungsleistungen i. S. d. § 4 Nr. 14 UStG ebenso wie stationäre und ambulante Pflegeleistungen.
  • Dienstleistungen, die unmittelbar für die begünstigten Zwecke verwendet werden
    Begünstigt wäre beispielsweise die zentrale Beschaffung und Überlassung von medizinischen Apparaten. Eine lediglich mittelbare Förderung der Tätigkeiten der Mitglieder, beispielsweise in Form von allgemeinen Verwaltungsleistungen, soll laut Gesetzesbegründung nicht ausreichen.
  • Reine Kostenerstattung
    Die Mitglieder müssen sich in Höhe ihres jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten beteiligen. Es muss also ein System etabliert werden, das eine verursachungsgerechte Kostenumlage sicherstellt. Ein Gewinnaufschlag wäre schädlich für die Steuerbefreiung.
  • Keine Wettbewerbsverzerrung
    Die Steuerbefreiung darf nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führen. Als Indizien für eine Wettbewerbsverzerrung gelten u. a. die Ausführung derselben Dienstleistung gegenüber Nicht-Mitgliedern am Markt oder die Tatsache, dass bei dem Personenzusammenschluss im Ergebnis allein die Optimierung der Umsatzsteuerbelastung im Vordergrund steht.

Entscheidende Fragen sind noch unbeantwortet

Der Gesetzestext lässt noch einigen Interpretationsspielraum. Verwaltungsanweisungen oder Finanzgerichtsurteile, die bei der Auslegung der Norm herangezogen werden könnten, existieren derzeit noch nicht.

Insofern besteht hinsichtlich der Anwendbarkeit der Befreiung eine erhebliche Rechtsunsicherheit. In welcher Form bzw. in welcher Höhe muss sich ein Unternehmen an dem Personenzusammenschluss beteiligen, um von der Steuerbefreiung zu profitieren? Muss das Mitglied die Leistung zwingend selbst verbrauchen oder genügt es, wenn die Leistung beispielsweise bei einer organschaftlich verbundenen Schwestergesellschaft eingesetzt wird? Welche Leistungen dienen den begünstigten Zwecken unmittelbar und welche nicht? Wie kann ein Nachweis darüber geführt werden, dass die Steuerbefreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt? Führt der Verzicht auf einen Gewinnaufschlag ertragsteuerlich zu einer verdeckten Gewinnausschüttung? Fragen über Fragen…

Fazit

Die neue Befreiungsnorm eröffnet Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft die Möglichkeit, Kooperationen mit außenstehenden Unternehmen ohne zusätzliche Umsatzsteuerbelastung zu verwirklichen.

Da die Norm jedoch erst wenige Monate alt ist und kaum verlässliche Auslegungshilfen existieren, sollten neue Kooperationen, die die Steuerbefreiung für sich in Anspruch nehmen wollen, in jedem Fall vorab im Wege einer verbindlichen Auskunft mit dem Finanzamt abgestimmt werden.

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