Das planmäßige Zusammenwirken zwischen steuerbegünstigten Körperschaften gemäß § 57 Abs. 3 AO steht auf dem Prüfstand des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Dieser hat zunächst zu entscheiden, ob die Vorschrift gegen EU-Beihilferecht verstößt. Das zugrundeliegende Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) zur Klärung des Erfordernisses der sog. doppelten Satzungsmäßigkeit wurde ausgesetzt.
Das sog. planmäßige Zusammenwirken zwischen steuerbegünstigten Körperschaften erweitert die Sphäre der steuerbegünstigten Zweckverwirklichung. Leistungen an andere steuerbegünstigte Einrichtungsträger können dem ertragsteuerfreien Zweckbetrieb zugeordnet werden, sofern satzungsgemäß geregelt und im steuerbegünstigten Bereich verwendet. So können auch ehemals gewerbliche Tochtergesellschaften mit ihren Serviceleistungen steuerbegünstigt agieren. Hierzu und zu den sich daraus ergebenden diversen Gestaltungsmöglichkeiten haben wir unter anderem 2024 in der zweiten Ausgabe der Curacontact ausführlich berichtet.
Doppeltes Satzungserfordernis
Die Finanzverwaltung verlangt weiterhin, dass das sog. planmäßige Zusammenwirken sowohl in der Satzung des Leistungserbringers als auch in der des Leistungsempfängers geregelt sein muss (doppeltes Satzungserfordernis). Ohne entsprechende Satzungsanpassungen wird bis heute seitens der Finanzverwaltung eine restriktive Auffassung vertreten; Steuerbegünstigungen für diese Leistungsbereiche werden in diesem Fall nicht gewährt. Dadurch werden kurzfristige Kooperationen faktisch verhindert. In der Literatur wird – aus unserer Sicht berechtigterweise – die Sicht der Finanzverwaltung zum doppelten Satzungserfordernis strikt abgelehnt. Weder aus der gesetzlichen Regelung als solcher noch aus der gesetzgeberischen Intention kann dieses Erfordernis abgeleitet werden.
Auffassung der Finanzrechtsprechung
In einem ersten aufsehenerregenden Urteil des FG Hamburg vom 26. September 2023 (Az.: 5 K 11/23) wurde das doppelte Satzungserfordernis am Beispiel einer steuerbegünstigten Servicegesellschaft überprüft. Das FG Hamburg ist mit beeindruckender Klarheit zu dem Ergebnis gekommen, dass es im Rahmen von § 57 Abs. 3 AO kein „doppeltes Satzungserfordernis“ gibt. Vielmehr sei es ausreichend, wenn die leistungserbringende Körperschaft das sog. planmäßige Zusammenwirken in ihrer Satzung verankert. Wer gehofft hatte, dass sich mit dieser vollumfänglich nachvollziehbaren und berechtigten Entscheidung des FG Hamburg die Streitfrage endgültig geklärt habe, wurde enttäuscht. Die Finanzverwaltung deutete bereits an, nur auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs hin ihre Haltung zu überdenken. Angesichts dessen war es auch wenig überraschend, dass die Finanzverwaltung Revision vor dem Bundesfinanzhof (Az.: V R 22/23) eingelegt hat. Im Mai dieses Jahres fand nunmehr in der Sache die mündliche Verhandlung vor dem BFH statt. Eine schnelle Entscheidung blieb erneut aus. Vielmehr wurde das Revisionsverfahren durch den V. Senat ausgesetzt und mittels Beschluss vom 22. Mai 2025 ein Vorlageverfahren vor dem EuGH eingeleitet.
Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH
Hintergrund für diesen Verfahrensverlauf ist die grundsätzliche Rechtsfrage, ob mit der Einführung von § 57 Abs. 3 AO und der damit einhergehenden Steuerbegünstigung für nur mittelbar dem
steuerbegünstigten Zweck einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft zugutekommenden Leistungen, ein nicht gerechtfertigter und damit unzulässiger staatlicher Beihilfeakt im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV begründet wird. Nach dem EU-Beihilferecht sind „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen“.
Der EuGH hat bei der Prüfung des Beihilfetatbestandes nach Art. 107 Abs. 1 AEUV zu klären, ob
- eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel vorliegt,
- die Maßnahme geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen,
- ein begünstigtes Unternehmen vorhanden ist und dem Begünstigten durch die Maßnahme ein selektiver Vorteil gewährt wird,
- die Maßnahme den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht.
Die Einlassungen des BFH im Rahmen seines Vorlagebeschlusses zu den vorbezeichneten Voraussetzungen vermitteln leider deutlich den Eindruck, dass er tendenziell von einer Verwirklichung des Beihilfetatbestands nach Art. 107 Abs. 1 AEUV ausgeht. Eine Rechtfertigung aufgrund gemeinnützigkeitsrechtlicher Besonderheiten oder vor dem Hintergrund zulässiger sog. Altbeihilfen – mithin also Fördertatbestände, die bereits vor Abschluss des EWG-Vertrages gegolten haben (Gemeinnützigkeits-VO) – sieht der BFH gleichfalls kritisch. Mangels der Durchführung eines Notifizierungsverfahrens durch den deutschen Staat weist der BFH sogar auf das ihn verpflichtende Durchführungsverbot hin. Danach dürfen gem. Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV neue staatliche Beihilfemaßnahmen – darunter fallen auch steuerliche Vergünstigungen, die einzelne Unternehmen oder Unternehmensgruppen begünstigen – nicht durchgeführt werden, bevor sie bei der EU-Kommission angemeldet (notifiziert) und von dieser geprüft und genehmigt wurden.
Beihilferechtliche Einschätzung
Beihilfen sind nach den Bestimmungen des EU-Rechts u. a. dann zulässig, wenn es sich um „bestehende Beihilfen“ handelt, die bereits vor Inkrafttreten des EWG-Vertrages am 1. Januar 1958 bestanden haben. Diese sog. Altbeihilfen bleiben grundsätzlich unangetastet. Im gemeinnützigen Kontext hatte das Europäische Gericht im Jahr 2018 Landesförderungen der freien Wohlfahrt als zulässige „bestehende Beihilfe“ angesehen, da derartige Förderungen bereits seit 1956 bestanden. Das heute in der Abgabenordnung (§§ 51 – 68) geregelte Gemeinnützigkeitsrecht entspringt der Gemeinnützigkeitsverordnung, deren Einführung auf den 24. Dezember 1953 datiert. Eine Altbeihilfe wird indes wohl nur dann anzunehmen sein, wenn der Regelungsgehalt des § 57 Abs. 3 AO nicht insgesamt eine neue Zielrichtung einnimmt bzw. einen neuen Fördertatbestand begründet. Bestandsschutz kann daher nur gewährt werden, wenn keines der grundlegenden Finanzierungselemente (u. a. der Kreis der Begünstigten) wesentlich verändert wird. Angesichts der aktuell vorliegenden Einschätzung durch den BFH bleibt die Hoffnung, dass sich die Bundesfinanzverwaltung in dem Verfahren vor dem EuGH einen Kunstgriff einfallen lässt.
FAZIT
Für arbeitsteilig organisierte oder als Servicegesellschaften strukturierte gemeinnützige Einrichtungen bleibt die Rechtslage ungewiss. Zwar teilt der BFH das doppelte Satzungserfordernis nicht und möchte das Urteil des FG Hamburg bestätigen. Doch durch das laufende EuGH-Verfahren ist die Unsicherheit gestiegen. Bei einer beihilferechtlichen Unzulässigkeit droht der Wegfall steuerlicher Vorteile – auch des ermäßigten Steuersatzes.
Dieser Artikel stammt aus unserem Mandantenmagazin Curacontact, das 4 x im Jahr aktuelle Themen für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft, für Öffentlichen Sektor und Kirche aufbereitet. Interesse? Jetzt kostenlos abonnieren!