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Anerkennungsleistungen bei sexuellem Missbrauch

Fragen des Gemeinnützigkeits- und Steuerrechts und der Rechnungslegung

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat am 21. März 2025 eine Neufassung der Anerkennungsrichtlinie für Betroffene sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie beschlossen (Richtlinie der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Anerkennung sexualisierter Gewalt - Diakonie Deutschland). Die Richtlinie soll ermöglichen, dass Anerkennungsleistungen für Betroffene von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie bundesweit künftig nach einheitlichen Standards festgelegt werden. Im Bereich der Katholischen Kirche hat der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz am 24. November 2020 die „Ordnung für das Verfahren zur Anerkennung des Leids“ mit der gleichen Zielsetzung beschlossen. Die Ordnung wurde durch den Ständigen Rat am 26. April 2021 und 23. Januar 2023 geändert (2023-ORDNUNG-Verfahren-zur-Anerkennung-des-Leids.pdf).

Die Leistungen in Anerkennung des Leids werden als freiwillige Leistungen und unabhängig von Rechtsansprüchen erbracht. Dies geschieht als Zeichen der institutionellen Mitverantwortung und zur Sicherstellung von Leistungen an Betroffene ohne eine gerichtliche Geltendmachung und insbesondere, wenn nach staatlichem Recht vorgesehene Ansprüche gegenüber dem Beschuldigten wegen Verjährung oder Tod nicht mehr geltend gemacht werden können.

Unabhängige sog. Anerkennungskommissionen entscheiden über Anträge zur Unterstützung von materiellen Leistungen (Anerkennungsleistungen als Geldleistungen). Die Kommissionen leiten ihre Entscheidungen an die nach den Regelungen festgelegte jeweilige Geschäftsstelle weiter. Diese sind sodann verpflichtet, die Entscheidungen der Kommissionen umzusetzen, sie der antragstellenden Person bekanntzugeben und die Anerkennungsleistung an die Betroffenen auszuzahlen. 

Im Bereich der Diakonie ist die Geschäftsstelle in der Regel bei den Landeskirchenämtern der jeweiligen Landeskirche verortet, ausnahmsweise auch beim jeweiligen Landesverband. Im Bereich der Katholischen Kirche und Caritas ist der Deutsche Caritasverband (DCV), Freiburg, die für die Umsetzung der Kommissionentscheidungen und Auszahlung der Leistungen festgelegte Geschäftsstelle. 

Zur Finanzierung der Anerkennungsleistungen ist grundsätzlich vorgesehen, dass betroffene Träger von frei-gemeinnützigen Einrichtungen die Zahlungen an die Geschäftsstelle leisten, die für die administrative Abwicklung der Anerkennungsleistungen und bzw. Auszahlung an die Betroffenen zuständig ist. Die jeweiligen Geschäftsstellen richten für die Zahlungsabwicklung der Anerkennungsleistungen Konten ein, die durch Zuwendungen der betroffenen frei-gemeinnützigen Träger, in denen die sexualisierte Gewalt stattgefunden hat und ggf. anteilig die Landes- bzw. Diözesanverbände und Landeskirchen gespeist werden. 

Fraglich ist, ob bzw. wann die Zahlungen von Anerkennungsleistungen durch betroffene Träger (frei-gemeinnützig-organisierte Mitglieder) an die Geschäftsstelle erfolgen können, ohne eine Gefährdung der Gemeinnützigkeit der Träger zu bewirken. Die Ausführungen gelten gleichermaßen für kirchliche Einrichtungen, die nach der Abgabenordnung als steuerbegünstigt anerkannter sog. „Betrieb gewerblicher Art“ geführt werden. 

Dabei gilt es steuerrechtlich zu unterscheiden, ob Träger die zur Auszahlung an die Betroffenen vorgesehenen Anerkennungsleistungen (zunächst) 

  • an ein Landeskirchenamt als Geschäftsstelle oder
  • an einen Landesverband der Diakonie oder
  • an den Deutschen Caritasverband (DCV) zahlen.

Anerkennungsleistungen als Verwirklichung kirchlicher Zwecke

Für eine Anerkennung als steuerbegünstigte Körperschaft im Sinne der AO ist es Voraussetzung, dass frei-gemeinnützige Träger nach ihrer Satzung und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich, unmittelbar und selbstlos kirchliche, mildtätige und/oder gemeinnützige Zwecke verfolgen. Erbringen frei-gemeinnützige Träger Leistungen für solche Zwecke, die nicht in ihrer Satzung verankert sind, wären derartige Leistungen mangels Satzungsermächtigung als sog. „satzungsfremde Ausgabe“ bzw. „Mittelfehlverwendung“ zu qualifizieren und können als Folge die Gemeinnützigkeit der Einrichtung gefährden. Dieses würde auch für „unberechtigt“ ausgezahlte Anerkennungsleistungen gelten. 

Nach § 54 AO verfolgt eine Körperschaft kirchliche Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, eine Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, also zum Beispiel die Evangelische Kirche, zu fördern. Auf der Grundlage dieses Verständnisses gilt die Zahlung von Anerkennungsleistungen, wie sie in dem von allen Landeskirchen geregelten geordneten Verfahren zur Anerkennung des Leids durch unabhängige Kommissionen festgelegt werden, als Verwirklichung kirchlicher Zwecke im Sinne der AO. Dieser Auffassung hat sich dem Vernehmen nach auch die Finanzverwaltung in allen Bundesländern angeschlossen. 

Regelfall: Zahlung an einen Landesverband oder den DCV 

Ausnahmsweise kann darauf verzichtet werden, die eigene Satzung um die Förderung „kirchlicher Zwecke“ zu ergänzen, wenn die Träger die Anerkennungsleistungen an einen Landesverband der Diakonie oder an den Deutschen Caritasverband leisten. 

Frei-gemeinnützige Träger können Zahlungen für Anerkennungsleistungen unter Inanspruchnahme der Regelung des § 58 Nr.1 AO als „Zuwendungen“ an andere steuerbegünstigte Körperschaften (zum Beispiel den Landesverband der Diakonie oder DCV) steuerrechtlich unbedenklich leisten, ohne dass sie ihre Satzung um die Förderung kirchlicher Zwecke ergänzen müssen. Allerdings setzt diese Regelung voraus, dass die Empfängerkörperschaft (Landesverband oder DCV) ihrerseits die Förderung kirchlicher Zwecke in ihrer Satzung verankert haben. Ist dies der Fall, hat sich der zahlende Träger lediglich einen Nachweis über eine gültige Steuerbefreiung des Landesverbandes bzw. DCV aushändigen zu lassen (§ 58a AO). Eine steuerliche Unbedenklichkeit dürfte nach unserer Auffassung auch dann gegeben sein, wenn Sozialunternehmen Zahlungen für Anerkennungsleistungen in ein sog. Fondsmodell einzahlen, das bei einem Landesverband oder dem DCV geführt wird. 

Sonderfall: Zahlung an Landeskirchenämter

Frei-gemeinnützige Träger können die Zahlung von Anerkennungsleistungen an Landeskirchenämter gemeinnützigkeitsrechtlich nur dann – für die Erhaltung der Gemeinnützigkeit – unbedenklich erbringen, wenn sie satzungsgemäß kirchliche Zwecke verfolgen oder bereit sind, im zeitlichen Umfeld der Auszahlung von Leistungen ihre Satzung bzw. ihren Gesellschaftsvertrag entsprechend zu ergänzen. Dem Vernehmen nach akzeptiert die Finanzverwaltung es auch, wenn die kirchlichen Satzungszwecke zeitlich nach der Auszahlung von Anerkennungsleistungen angepasst werden, soweit das Vorhaben zur Ergänzung der Satzungszwecke im Zeitpunkt der Auszahlung unternehmensseitig hinreichend konkret ist.

Anerkennungsleistungen und Schenkungsteuer

Für die Auszahlung von Anerkennungsleistungen gilt nach § 13 Nr. 19 ErbStG seit 2021 eine Steuerbefreiung, wenn „die Leistungen in einem geordneten Verfahren gewährt werden, das allen betroffenen Personen offensteht. Nach § 30 Abs.1 ErbStG besteht eine Anzeigepflicht des Leistenden über die Auszahlung der Anerkennungsleistungen bei der für die Erbschaft­steuer zuständigen Finanzbehörde innerhalb einer Frist von drei Monaten nach der erfolgten Auszahlung. Die formfreie Anzeige soll Angaben zum Namen, der steuerlichen ID-Nummer, der Anschrift des Betroffenen, dem Verweis auf den Anerkennungsbescheid und die Höhe der Anerkennungsleistungen enthalten.

Hinweise zur Rechnungslegung

Sofern nicht in früheren Jahren ausnahmsweise Rückstellungen für diese Sachverhalte gebildet wurden (werden durften), stellt die Zahlung einer Anerkennungsleistung Aufwand des laufenden Geschäftsjahres dar. Dieser ist nach dem Prinzip der periodengerechten Zuordnung zu erfassen und zu buchen. Dies bedeutet, dass Aufwendungen dem Geschäftsjahr zugerechnet werden müssen, in dem sie wirtschaftlich verursacht wurden oder in dem sie bekannt werden und zwar unabhängig vom tatsächlichen Zahlungszeitpunkt. Sollten Anerkennungsleistungen gegenüber der Einrichtung zutreffenderweise geltend gemacht werden und bisher fälschlicherweise bzw. mangels Kenntnis keine entsprechenden Rückstellungen gebildet worden sein, wird die Zahlung zulasten des Aufwands des laufenden Geschäftsjahres erfolgen. 

Fazit

Werden Träger zur Auszahlung von Anerkennungsleistungen aufgefordert, sollten Verantwortliche die steuerlichen Hinweise beachten und ggf. eine Satzungsanpassung von einem Sachverständigen prüfen lassen. Anderenfalls kann ein Verstoß gegen die gemeinnützigkeitsrechtlichen Grundsätze der Mittelverwendung drohen. Im Einzelfall sollte, auch bzgl. der zutreffenden Abbildung der Zahlungen im Rechnungswesen, der erfahrene Berater hinzugezogen werden. 

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