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Bilanzierung von Tierbestand und Viehvermögen

Abgrenzungsfragen im Handelsrecht

Aktivierung oder Aufwand, Anlage- oder Umlaufvermögen

Für Tiere gelten in Anwendung des § 90a BGB die für Sachen geltenden Vorschriften. Zudem erfüllen sie das Kriterium der Einzelverwertbarkeit, also der Möglichkeit der Veräußerung oder Verarbeitung. Grundsätzlich ist somit festzustellen, dass es sich bei Tieren im wirtschaftlichen Kontext um Vermögensgegenstände im handelsrechtlichen Sinne handelt. Aufgrund des Vollständigkeitsgebotes im Handelsrecht nach § 246 HGB – „Der Jahresabschluss hat sämtliche Vermögensgegenstände […] zu enthalten“ – sind diese Tierbestände zum Abschlussstichtag in die Handelsbilanz aufzunehmen.

Dabei kommen zwei Möglichkeiten in Betracht. Die Aktivierung als (langfristiges) Anlagegut, welches über eine betriebswirtschaftliche Nutzungsdauer abgeschrieben wird. Oder die Bilanzierung im Umlaufvermögen (als Roh-, Hilfs- und Betriebsstoff oder Handelsware), welches in der Folge bei Verkauf oder Verarbeitung des Tieres aufwandswirksam vermindert wird. Der Bestand wird spätestens zur Jahresinventur sichergestellt. Im Bereich des Anlagevermögens ist diese nicht zwingend vorgeschrieben, allerdings nach drei bis fünf Jahren geboten.

Zuchttiere in einem Landwirtschaftsbetrieb z.B. dienen dauerhaft dem Erwerbszweck und stellen damit Anlagevermögen dar. Hingegen sind Masttierbestände dazu da, innerhalb eines kurzen Zeitraumes verkauft oder verarbeitet zu werden und werden damit im Umlaufvermögen ausgewiesen. Tiere, die in Tierparks Beschauungsobjekte der Besucher sind, sind in der Regel langfristiges Vermögen. Aber auch hier können Tierbestände dem Umlaufvermögen zugeordnet werden, z.B. wenn sie der Verfütterung dienen.

Relevant für die Einordnung ist die Zweckwidmung der Vermögensgegenstände für den Betrieb. Deutlich wird dies am Beispiel von Gnadenhöfen oder Pflege- und Tierauffangstationen. Grundsätzlich ist es möglich, dass Tiere nur übergangsweise auf den Höfen sind und über diesen Weg einen neuen (Privat-)Besitzer finden. In der Regel ist der Betrieb aber darauf ausgelegt, den Tieren bis zu ihrem Lebensende ein liebevolles zuhause zu geben. Damit ist die Widmung langfristiger Natur, die Bilanzierung erfolgt im Anlagevermögen.

Komplexere Sachverhalte ergeben sich auch am Beispiel von Forschungseinrichtungen, die mit Tieren arbeiten. Betrachtet man Institute mit dem Schwerpunkt der Verhaltensforschung, ist das Ziel ein langfristiger Erkenntnisgewinn. Deutlich kurzfristigere Daten und Auswertungen liefern mitunter Tiere in Forschungseinrichtungen der Pharmaindustrie. Dieser Nutzungszusammenhang fließt in die Abgrenzungsbeurteilung mit ein. 

Bewertung des Tierbestandes

Unabhängig davon, ob der Tierbestand im Anlage- oder Umlaufvermögen ausgewiesen wird, erfolgt die Bewertung zunächst mit den Anschaffungskosten. In der Regel ist dies der Kaufpreis inkl. Nebenkosten für den Erwerb des Tieres. Werden Tiere unentgeltlich übernommen, z.B. in einer Auffangstation, sind die Anschaffungskosten Null. Um der handelsrechtlichen Inventarisierungspflicht gerecht zu werden, kann der Ansatz mit einem „Erinnerungswert“ erfolgen.

Jedes Tier ist grundsätzlich mit seinen eigenen Anschaffungskosten einzeln zu bewerten. Das Handelsrecht sieht allerdings Vereinfachungsregelungen vor, die auch für Tierbestände anwendbar sind. So können in Anlehnung an das Steuerrecht Vermögensgegenstände des Anlagevermögens mit Anschaffungskosten von unter € 250,00 netto sofort im Aufwand erfasst werden, ohne Pflicht zur Inventarisierung. Bei Anschaffungskosten unter € 800,00 netto besteht zwar eine Inventarisierungspflicht, allerdings können die Vermögensgegenstände als geringwertige Wirtschaftsgüter im Jahr der Anschaffung vollständig abgeschrieben und anschließend als Abgang erfasst werden.

Im Umlaufvermögen kommen Bewertungsvereinfachungsverfahren nach § 240 IV HGB in Betracht. Dabei werden gleichartige Vermögensgegenstände, also z.B. Tiere jeder Altersklasse einer Gattung, mit einem Durchschnittswert bewertet. 

Auch das Festwertverfahren im Anlage- oder Umlaufvermögen kommt in Betracht. Das ist möglich, wenn der Tierbestand eine nachrangige Bedeutung hat (im Verhältnis zur Bilanzsumme) sowie geringen Veränderungen sowohl im Bestand als auch im Preis unterliegt. Infrage kommen z.B. Kleintiere in Kolonien (Mäuse, Hamster), Insekten oder (kleine) Fische.

Abschreibung

Handelsrechtlich wird die Abschreibung nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer, also in der Regel die Dauer, in welcher das Tier für den Betriebszweck nutzbar ist, vorgenommen. Orientierung geben die steuerlichen AfA-Tabellen, die allerdings handelsrechtlich nicht bindend sind. Für den Wirtschaftszweig "Landwirtschaft und Tierzucht" gibt es gesonderte Abschreibungstabellen.

Milchkühe werden z.B. nur ca. fünf Jahre alt, auch wenn die Lebenserwartung von Kühen 20 Jahre beträgt, die steuerlichen AfA-Tabellen sehen gar nur drei Jahre vor. Kauft ein Gnadenhof ein Tier aus schlechten Haltungsbedingungen oder der Zuchtindustrie ist die möglicherweise geminderte Lebensdauer zu berücksichtigen.

Mit Blick auf die grundsätzlichen Bilanzierungsregeln ist es für den Jahresabschluss letztlich entscheidend, in welchem Bereich die Organisation tätig ist und für welchen Zweck die Tiere gehalten werden. Vereinfachungsverfahren, wie die Bildung von Festwerten, sollten genutzt werden, insbesondere wenn der zu aktivierende Wert von untergeordneter Bedeutung ist. Gerne unterstützen wir Sie dabei. Jetzt Kontakt aufnehmen!