Stabilisierung der Beitragssätze, Prävention, Ambulante Versorgung, Apotheken, Gesundheitswirtschaft, Krankenhauslandschaft, Bürokratieabbau im Gesundheitswesen, Digitalisierung, Gesundheitsforschung und zielgruppengerechte Versorgung, Psychotherapie, krisenfeste Versorgung sowie die Gesundheitsberufe – all das steht im Fokus der künftigen Regierung. Im Folgenden haben wir einige Themen und Aspekte des Koalitionsvertrages im Bereich Gesundheit aufgegriffen. Im Einzelnen:
1. Ambulante Versorgung
Das Hauptaugenmerk der zukünftigen Regierung liegt unter anderem auf der ambulanten Versorgung. Diese soll durch kürzere Wartezeiten, Entlastung der Praxisteams und einen strukturierten, bedarfsgerechten Zugang zu Fachärzten gezielt verbessert werden.
Kern des Vorhabens ist ein verbindliches Primärarztsystem bei weiterhin freier Arztwahl über Haus- und Kinderärzte – sowohl in der hausarztzentrierten Versorgung als auch im Kollektivvertrag (Ausnahmen: Augenheilkunde und Gynäkologie). Die Primärärzte und die Kassenärztliche Vereinigung sollen künftig den medizinisch notwendigen Bedarf für Facharzttermine festlegen und verbindliche Terminkorridore (Termingarantie) vergeben. Falls dies nicht gelingt, soll der Zugang zur fachärztlichen Versorgung ambulant im Krankenhaus ermöglicht werden.
Ergänzend wird eine flächendeckende strukturierte Ersteinschätzung über digitale Kanäle und Telemedizin etabliert, um Patienten frühzeitig sinnvoll zu steuern.
Die sektorenübergreifende Versorgung soll durch Hybrid-DRGs (sektorenunabhängige Fallpauschalen) und eine engere Verzahnung von ambulantem und stationärem Bereich weiterentwickelt werden. Ein Regulierungsgesetz für investorenbetriebene MVZ (iMVZ) soll zudem Transparenz über Eigentümerstrukturen schaffen und eine systemgerechte Verwendung von Beitragsmitteln sicherstellen.
Im ärztlichen Bereich ist eine Reform des Honorarsystems geplant. Mit Jahrespauschalen und einer Flexibilisierung des Quartalsbezugs sollen unnötige Arztkontakte reduziert und gleichzeitig besserer Zugang für neue Patienten ermöglicht werden.
Darüber hinaus wird die Kompetenz der Gesundheitsberufe in der Praxis gestärkt. Mehr Ärztinnen und Ärzte sollen ihre Weiterbildung in der Allgemeinmedizin in Praxen absolvieren können (bis zu zwei pro Weiterbilder). Auch die Versorgungskapazitäten in der Kinderheilkunde werden gezielt ausgebaut.
Zur besseren Steuerung soll die Länderbeteiligung in den Zulassungsausschüssen gestärkt werden – durch ein erweitertes Mitspracherecht und die Möglichkeit, die Bedarfsplanung kleinteiliger und regionaler zu gestalten. Ein geplanter Fairnessausgleich zwischen über- und unterversorgten Gebieten soll zudem für mehr Versorgungsgerechtigkeit sorgen.
2. Krankenhauslandschaft
Der zweite Schwerpunkt ist die Krankenhauslandschaft. Auf Basis der laufenden Krankenhausreform soll bis Sommer 2025 eine qualitativ hochwertige, bedarfsgerechte und praxistaugliche Krankenhausstruktur gesetzlich verankert werden. Besonderes Augenmerk liegt auf Ausnahmen und erweiterten Kooperationsmöglichkeiten, um die Grund- und Notfallversorgung zu sichern. Die Finanzierungslücke bei den Sofort-Transformationskosten wird geschlossen; zusätzlich fließt der ursprünglich für die GKV vorgesehene Anteil aus dem Sondervermögen Infrastruktur in den Transformationsfonds ein.
Zielgerichtete Maßnahmen sind zudem die Überarbeitung der Definition von Fachkrankenhäusern, um bewährte und versorgungsrelevante Fachkliniken in den Ländern zu erhalten, sowie die Stärkung der belegärztlichen Versorgung, ohne Qualitätseinbußen.
Die Zuweisung von Leistungsgruppen erfolgt bundesweit zum 01.01.2027 basierend auf dem NRW-Modell mit 60 Leistungsgruppen plus spezieller Traumatologie. Diese dienen gemeinsam mit dem InEK-Grouper als Grundlage der Abrechnung und bleiben bis zur Evaluation bestehen. Medizinisch sinnvolle Anpassungen an Leistungs- und Qualitätsvorgaben sowie Personalvorgaben sind möglich; dabei gilt ein Vollzeitäquivalent von 38,5 Stunden.
Die Konvergenzphase wird von zwei auf drei Jahre verlängert. Das Jahr 2027 wird ertragsneutral ausgestaltet, um die Auswirkungen der neuen Vergütungsregeln und der Vorhaltefinanzierung transparent zu machen. Ab 2028 wird die Vorhaltevergütung in zwei Stufen eingeführt. Für Bundesländer, die ihre Leistungsgruppen bis zum 31.12.2024 zugewiesen haben, gelten diese als verbindlich und bilden die Vergütungsbasis ab 2026 – mit Bestandsschutz bis längstens Ende 2030, ohne Schlechterstellung.
3. Apotheken
Zur Sicherung und Weiterentwicklung der wohnortnahen Arzneimittelversorgung sollen Apotheken – insbesondere im ländlichen Raum – gezielt gestärkt werden. Kernpunkte sind die Bekräftigung des Fremdbesitzverbots und der Ausbau der Vor-Ort-Apotheken als zentrale Anlaufstellen für Prävention und Gesundheitsberatung. Die Abgabe und der Austausch von Arzneimitteln sollen erleichtert, bürokratische Hürden abgebaut und Nullretaxationen aus rein formalen Gründen abgeschafft werden.
Zudem ist eine einmalige Erhöhung des Apothekenpackungsfixums auf 9,50 Euro vorgesehen – in unterversorgten Regionen bis zu 11,00 Euro. Die Verhandlungshoheit über Vergütungen soll künftig zwischen dem Berufsstand und dem GKV-Spitzenverband liegen. Eine Gleichbehandlung von Vor-Ort- und Versandapotheken, etwa bei Kühlketten oder Nachweispflichten, soll faire Wettbewerbsbedingungen schaffen.
Weitere zentrale Maßnahmen sind die Aufhebung des Skonti-Verbots sowie die Weiterentwicklung des Apothekers zum Heilberuf, um die pharmazeutische Versorgung langfristig zu sichern und auszubauen.
4. Bürokratieabbau
Zur spürbaren Entlastung von Leistungserbringern im Gesundheitswesen wird ein Bürokratieentlastungsgesetz eingeführt. Ziel ist die Reduktion von Dokumentationspflichten und Kontrolldichte, insbesondere durch die Abschaffung pandemiebedingter Berichtspflichten sowie einen umfassenden Praxis-Check aller geltenden Vorgaben, einschließlich Datenschutz und Abrechnungsregeln. Zugleich soll eine Vertrauenskultur gestärkt und die Eigenverantwortung der Gesundheitsberufe gefördert werden.
Die Nutzung von KI-gestützter Dokumentation sowie ein konsequent digitales, vereinfachtes Berichtswesen werden vorangetrieben. Eine Bagatellgrenze von 300 Euro bei Regressprüfungen für niedergelassene Ärzte wird eingeführt – mit analogen Entlastungen für andere Leistungserbringer. Zudem werden die Verschreibung und Abrechnung von Heil- und Hilfsmitteln vereinfacht.
Im stationären Bereich wird die Prüfquote erheblich gesenkt und Prüfungen nur bei Auffälligkeiten ausgeweitet. Krankenkassen werden verpflichtet, einheitliche Vertrags- und Verwaltungsprozesse zu entwickeln. Schließlich wird eine einheitliche Gehaltsstruktur für alle öffentlich finanzierten Körperschaften im Gesundheitswesen angestrebt, analog zu Krankenhäusern, Praxen und dem öffentlichen Gesundheitsdienst.
5. Erste Bewertung
Eine abschließende Bewertung der angekündigten Vorhaben ist erst möglich, wenn konkrete Gesetzesentwürfe vorliegen. Dennoch lassen sich bereits jetzt bestimmte Tendenzen und inhaltliche Schwerpunktsetzungen erkennen, die eine erste Einordnung erlauben.
Feststeht, dass sich die neue Regierung viel vorgenommen hat. Bereiche wie Bürokratieabbau, Digitalisierung und die Stabilisierung der Beitragssätze sind wenig überraschend. Aber insbesondere im Bereich der ambulanten Versorgung stehen größere Vorhaben an. Hier hat sich die Regierung z. B. erstmals die Regulierung investorenbetriebener MVZ konkret zur Aufgabe gemacht, eine Stärkung der Länderbeteiligung in den Zulassungsausschüssen vorgesehen und festgelegt, das Honorarsystem im ärztlichen Bereich zu verändern.
Welche konkreten Maßnahmen hierzu erforderlich sein werden, ist derzeit noch unklar. Entscheidend wird sein, dass den Ankündigungen auch Taten folgen – und die Gelegenheit genutzt wird, das Gesundheitswesen strukturell und nachhaltig zu stärken.
Gerne halten wir Sie weiter auf dem Laufenden. Und sollten Sie vorab schon Fragen haben, dann kommen Sie gerne auf uns zu. Jetzt Kontakt auf nehmen!