Unter der Überschrift „Verantwortung für Deutschland“ haben Union und SPD am 9. April 2025 ihren Koalitionsvertrag vorgelegt. Insgesamt 17 Unterpunkte wurden dem Bereich Gesundheit und Pflege gewidmet. Hiervon ist vieles altbekannt, aber dennoch gibt es ein paar Überraschungen.
Pflege
Die Bundesregierung hat auch im neuen Koalitionsvertrag weitreichende Reformen für die Pflege angekündigt. Ziel ist eine nachhaltige, bezahlbare und bedarfsgerechte pflegerische Versorgung in ganz Deutschland. Im Zentrum steht eine umfassende Pflegereform, die sowohl strukturelle als auch finanzielle Herausforderungen der kommenden Jahre angehen soll. Die Koalition plant eine Neuordnung der Leistungen der Pflegeversicherung. Diese sollen gebündelt, vereinfacht und stärker auf die tatsächlichen Bedürfnisse ausgerichtet werden.
Besonders im Fokus steht dabei die Stärkung der ambulanten und häuslichen Pflege. Angehörige, die Pflege leisten, sollen durch gezielte Maßnahmen entlastet und besser unterstützt werden – etwa durch klare Leistungen in Akutsituationen und eine verbesserte Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Die inhaltliche Ausarbeitung der Reform übernimmt eine Bund-Länder-Kommission unter Einbindung der kommunalen Spitzenverbände. Diese soll unter anderem den Leistungsumfang prüfen, Modelle wie „stambulant“ evaluieren und Vorschläge zur Begrenzung der pflegebedingten Eigenanteile erarbeiten. Auch versicherungsfremde Leistungen wie Rentenbeiträge für pflegende Angehörige werden auf ihre Systematik hin überprüft. Die Ergebnisse werden für Ende 2025 erwartet.
Gesundheit
Stabilisierung der Beitragssätze, Prävention, ambulante Versorgung, Apotheken, Gesundheitswirtschaft, Krankenhauslandschaft, Bürokratieabbau im Gesundheitswesen, Digitalisierung, Gesundheitsforschung und zielgruppengerechte Versorgung, Psychotherapie, krisenfeste Versorgung sowie die Gesundheitsberufe – all das steht im Fokus der künftigen Regierung. Nicht besonders überraschend, liegt doch ein besonderes Augenmerk der zukünftigen Regierung auf der Krankenhauslandschaft und der ambulanten Versorgung.
Auf Basis der laufenden Krankenhausreform soll bis Sommer 2025 eine qualitativ hochwertige, bedarfsgerechte und praxistaugliche Krankenhausstruktur gesetzlich verankert werden. Die Finanzierungslücke bei den Sofort-Transformationskosten wird geschlossen; zusätzlich fließt der ursprünglich für die GKV vorgesehene Anteil aus dem Sondervermögen Infrastruktur in den Transformationsfonds ein.
Den ambulanten Sektor erwarten – so zumindest der Koalitionsvertrag – größere Vorhaben. So soll ein verbindliches Primärarztsystem bei freier Arztwahl durch Haus- und Kinderärzte in der hausarztzentrierten Versorgung und im Kollektivvertrag etabliert werden. Die Primärärzte und die Kassenärztliche Vereinigung sollen künftig den medizinisch notwendigen Bedarf für Facharzttermine festlegen und verbindliche Terminkorridore (Termingarantie) vergeben. Falls dies nicht gelingt, soll der Zugang zur fachärztlichen Versorgung ambulant im Krankenhaus ermöglicht werden. Ergänzend wird eine flächendeckende strukturierte Ersteinschätzung über digitale Kanäle und Telemedizin etabliert, um Patienten frühzeitig sinnvoll zu steuern.
Die sektorenübergreifende Versorgung soll durch Hybrid-DRGs und eine engere Verzahnung von ambulantem und stationärem Bereich weiterentwickelt werden. Ein Regulierungsgesetz für investorenbetriebene MVZ (iMVZ) soll zudem Transparenz über Eigentümerstrukturen schaffen und eine systemgerechte Verwendung von Beitragsmitteln sicherstellen. Im ärztlichen Bereich ist eine Reform des Honorarsystems geplant. Mit Jahrespauschalen und einer Flexibilisierung des Quartalsbezugs sollen unnötige Arztkontakte reduziert und gleichzeitig ein besserer Zugang für neue Patienten ermöglicht werden. Entscheidend wird sein, dass den politischen Ankündigungen auch Taten folgen und die Gelegenheit genutzt wird, das Gesundheitswesen strukturell und langfristig zu stärken.
FAZIT
Die geplanten Reformen im Bereich Pflege und Gesundheit signalisieren einen ambitionierten Neustart für eine nachhaltige, bedarfsgerechte und finanzierbare Versorgung in Deutschland. Im Zentrum steht dabei eine tiefgreifende Pflegereform, die sowohl Angehörige als auch ambulante Strukturen stärken und die Pflegeversicherung neu ausrichten soll. Gleichzeitig zielt die Bundesregierung im Gesundheitswesen auf eine zukunftsfeste Krankenhausstruktur, eine gestärkte ambulante Versorgung, Bürokratieabbau und Digitalisierung ab. Die Umsetzung dieser Vorhaben hängt jedoch entscheidend davon ab, ob den politischen Ankündigungen auch konkrete, wirksame Maßnahmen folgen. Nur so kann das Gesundheits- und Pflegesystem langfristig entlastet und modernisiert werden.
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