Neuigkeiten

Gemeinnützig Wohnen in der Eingliederungshilfe?

Gesetzliche Neuregelung erfordert Klarstellungen seitens des BMF

Für Sozialunternehmen, die zukünftig vergünstigt Wohnraum an hilfsbedürftige Personen nach § 53 AO gemeinnützig vermieten wollen, stellen sich aus Sicht der Praxis noch offene Fragen. 

Hintergrund

Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2024 hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1. Januar 2025 die "Förderung wohngemeinnütziger Zwecke" in den Katalog der gemeinnützigen, die Allgemeinheit fördernden Zwecke in der Abgabenordnung aufgenommen. Von der Regelung können auch Unternehmen der Sozialwirtschaft profitieren, die ihre Wohnungsbestände sichern und ausbauen wollen. 

Gesetzliche Neuregelung

Die Überlassung von vergünstigtem Wohnraum an hilfebedürftige Personen im Sinne des § 53 AO ist mit § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 27 AO in den Kata­log der gemeinnützigen Zwecke aufgenommen

§ 53 Nummer 2 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bezüge nicht höher sein dürfen als das Fünffache des Regelsatzes der Sozialhilfe im Sinne des § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch; beim Alleinstehenden oder Alleinerziehenden tritt an die Stelle des Fünffachen das Sechsfache des Regelsatzes. Die Hilfebe­dürftigkeit muss zu Beginn des jeweiligen Mietverhältnisses vorliegen. Durch die Erhöhung der Bezügegrenze auf das 5-bzw. sechsfache im Hinblick auf die Frage, ob bei Mietinteressenten eine wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit gegeben ist 

Nach der Gesetzesbegründung ist die (Dauer-)Vermietung von Wohnungen insoweit nicht als vermögensverwaltende Tätigkeit, sondern als „ideelle Zweckverwirklichung“ anzusehen. Dadurch ergeben sich für Sozialunternehmen neue Finanzierungsmöglichkeiten, für Investitionen in die Errichtung, Instandhaltung und Modernisierung von Immobilien zukünftig (auch) zeitnah zu verwendende Mittel wie zum Beispiel Spenden oder Überschüsse der Zweckbetriebe verwenden zu dürfen.  

Damit die vergünstigte Überlassung von Wohnraum als steuerbegünstigte Leistung anerkannt werden kann, sind folgende Voraussetzungen zu erfüllen:

1. Anforderungen an Vermieter

Vermieter müssen steuerbegünstigte Körperschaften nach§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG sein und satzungsgemäß gemeinnützige Zwecke verfolgen. Soweit steuerbegünstigte Sozialunternehmen bereits in der Vergangenheit nach ihrer Satzung Wohn- und Assistenzleistungen an hilfsbedürftige Personen nach § 53 AO als gemeinnützige und/oder mildtätige Leistungen erbracht haben, stellt sich nach unserer Auffassung die Frage, ob diese Unternehmen allein im Hinblick auf den Begriff der „vergünstigten Miete“ ihre Satzungen bzw. Gesellschaftsverträge ergänzen müssen. 

Bei steuerbegünstigten Sozialunternehmen, die im Übrigen nach § 55 AO an die Einhaltung der Vorgaben des Selbstlosigkeitsgebot bei der Verfolgung ihrer satzungsmäßigen Zwecke gebunden sind, kann unterstellt werden, dass satzungsmäßige Leistungen in der Regel zu „Selbstkosten“ erbracht werden, sodass das Tatbestandsmerkmal der „vergünstigten“ Vermietung auch ohne Satzungsregelung im Regelfall erfüllt sein dürfte. Um den mit einer Satzungsänderung nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand für derartige Unternehmen ggf. vermeiden zu können, erscheint aus Sicht der Unternehmen insoweit eine Klarstellung seitens des Bundesfinanzministeriums wünschenswert. 

Zugleich sollte hierbei klargestellt werden, ob es erforderlich ist, dass steuerbegünstigte Körperschaften für eine vollumfängliche Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung nach § 52 Abs. 2 Nr. 27 AO neben den gemeinnützigen Zwecken ggf. auch die Verfolgung mildtätiger Zwecke in ihre Satzung aufnehmen sollten.

2. Anforderungen an Mieter

Nur soweit die vergünstigte Vermietung an hilfsbedürftige Personen nach § 53 AO erfolgt, können die Vermietungsleistungen als steuerbegünstigte Leistungen anerkannt werden. Mit Blick auf potentielle Mieter haben Sozialunternehmen zu Beginn des Mietverhältnisses die Pflicht nachzuweisen, ob diese nach § 53 Nr. 1 AO persönlich und/oder nach § 53 Nr. 2 AO wirtschaftlich hilfebedürftig sind: 

Persönliche Hilfsbedürftigkeit

Diese liegt gem. § 53 Abs. 1 Nr. 1 AO bei Mietern stets dann vor, soweit sie körperlich, geistig, psychisch oder seelisch hilfebedürftig sind. Zum Nachweis kann z. B. eine Pflegeeinstufung vorgelegt oder nachgewiesen werden, dass Mieter:innen bereits 75 Jahre oder älter sind. Eine wirtschaftliche Unterstützungsbedürf­tigkeit ist daneben nicht erforderlich.  

Mit Blick auf Angebote des sog. „Betreuten Wohnens“, die typischerweise neben einer Wohnraumüberlassung auf freiwilliger vertraglicher Grundlage Assistenz- oder Serviceleistungen beinhalten, besagt eine ältere Verfügungslage der Finanzverwaltung, dass lediglich die Assistenz- und Serviceleistungen geeignet erscheinen, den konkreten Hilfebedarf der Mieter zu befrieden und damit als steuerbegünstigte Zweckverwirklichung nach § 66 AO gelten können. Dagegen stelle die bloße Vermietung der Wohnung für Personen nach § 53 Nr. 1 AO nicht generell eine Abhilfe ihrer körperlichen Leiden dar, so dass die Wohnraumvermietung an diese Personengruppe (gleichwohl) eine vermögensverwaltende Leistung darstellt. Nur wenn die Zurverfügungstellung von Wohnraum primär der Abhilfe von Wohnungsnot dient (z. B. bei besonderen Personengruppen) oder aber Assistenzleistungen die Wohnraumüberlassung überlagern, könne auch die Wohnraumüberlassung als steuerbegünstigte Leistungen gewertet werden. 

Der BFH folgt dieser engen Auslegung nicht, sondern kommt mit Urteil vom 24.07.1996 zu dem Ergebnis, dass Personen, die auf Grund besonderer sozialer Probleme Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Wohnraum haben und dadurch notleidend sind, denen allein aufgrund ihres Sozialstatus (vergünstigt) Wohnraum angeboten wird, als ideelle Zweckverwirklichung zu werten ist, sodass sich der Nachweis einer wirtschaftlichen Hilfsbedürftigkeit nach § 53 Nr. 2 AO insoweit erübrigen dürfte. 

Aus Sicht der Unternehmen wäre folglich eine Klarstellung seitens des BMF hilfreich, wann für Personen, die lediglich eine persönliche Hilfsbedürftigkeit nach § 53 Nr. 1 AO aufweisen (und die die Voraussetzungen der wirtschaftlichen Hilfsbedürftigkeit aufgrund der Höhe ihrer Bezüge oder des vorhandenen Vermögens nicht erfüllen), eine Wohnraumüberlassung als steuerbegünstigte Leistung gewertet werden kann.  

Wirtschaftliche Hilfebedürftigkeit

Als wirtschaftlich hilfsbedürftig gelten Mieter, deren Bezüge nicht hö­her sind als das Fünffache bzw. bei Alleinerziehenden oder Alleinste­henden das Sechsfache des Regelsatzes der Sozialhilfe nach § 28 SGB XII. Zu den relevanten Bezügen zählen alle Einkünfte sowie alle anderen für die Bestreitung des Unterhalts bestimmten oder geeigneten Bezüge aller Haushaltsangehörigen wie zum Beispiel bei Renten der über den Ertragsanteil hinausgehende Betrag oder Unterhaltsleistungen. Nicht anzurechnende Bezüge sind z. B. Einnahmen aus Aufwendungsersatz, Erziehungsgeld oder zweckgebundene Sozialhilfeleistungen (§§ 31 ff. SGB XII). 

Verwendung des eigenen Vermögens

Unabhängig von der Höhe der Bezüge sind Personen wirtschaftlich nicht bedürftig, wenn ihr Vermögen zur nachhaltigen Verbesserung ihres Unterhalts ausreicht und ihnen zuzumuten ist, es dafür zu verwenden. Als derartiges Vermögen ist in der Regel ein Vermögen mit einem gemeinen Wert (Verkehrswert) von mehr als € 15.500 anzusehen. Dabei bleiben Vermögensgegenstände, deren Veräußerung offensichtlich eine Verschleuderung bedeuten würde oder die einen besonderen Wert für die unterstützte Person haben oder zu ihrem Hausrat gehören sowie ein angemessenes selbstbewohntes Hausgrundstück außer Ansatz (sog. Schonvermögen). Die Grenze bezieht sich bei einem Mehrpersonenhaushalt auf jede unterstützte Person und gilt unverändert seit den siebziger Jahren.

Fazit

Während die erhöhte Grenze zulässiger Bezüge um den Faktor eins dem gesetzgeberischen Ziel, möglichst viele Haushalte der mittleren und unteren Einkommen steuerbegünstigt mit Wohnraum zu versorgen, entgegenkommen dürfte, ist die von Mietinteressenten zusätzlich nachzuweisende Grenze ihres zulässigen Vermögens mit € 15.500 (je Person einer Haushaltsgemeinschaft) im Zuge der allgemeinen Wertentwicklung als eher gering einzustufen. Potentielle Mietinteressenten, zum Beispiel Familien mit Kindern, könnte der Zugang zur vergünstigten Wohnraummiete verwehrt bleiben, wenn diese beispielsweise über Sparverträge oder Zuwendungen aus dem Familienkreis, ggf. für künftige Eigenheimvorhaben, verfügen und deren Verkehrswert die geforderte Grenze übersteigt. 

Im Einklang mit der gesetzlichen Regelung, über eine Anhebung der Bezügegrenze einen größeren potentiellen Mieterkreis zu erreichen, sollte das Bundesfinanzministerium nach unserer Auffassung in Erwägung ziehen, auch die Grenze des zulässigen „Schonvermögen“ in Höhe von € 15.500 im Sinne einer Inflationsbereinigung entsprechend anzupassen. 

Eine erste Bewertung der gesetzlichen Neuregelungen zur Wohngemeinnützigkeit zeigt für Sozialunternehmen verschiedene Möglichkeiten auf, die steuerbegünstigte Zweckverwirklichung im Bereich der Immobiliennutzung sowohl bei Bestandsbauten als auch bei Neubauvorhaben verstärkt in den Blick zu nehmen. Hierbei auftretende Praxisfragen bedürfen allerdings noch einer Klärung seitens des BMF. In einem weiteren Beitrag werden wir Fragen und Möglichkeiten der Mietpreisgestaltung sowie Formen von Kooperationen im Bereich der Immobiliennutzung beleuchten.

Sollten Sie vorab schon Fragen oder Beratungsbedarf haben, kommen Sie gerne auf uns zu. Gerne stehen wir Ihnen bei allen Herausforderungen zur Seite. Jetzt Kontakt aufnehmen! 

Besuchen Sie uns auch gerne auf dem BeB Bundeskongress für Führungskräfte vom 11. bis 13. Mai in Berlin. Die Veranstaltung steht unter dem Motto “Mitarbeiter finden, binden und entwickeln – wie gelingt es?”. Wir freuen uns darauf, Sie dort zu treffen. Mehr erfahren!