Im beruflichen Alltag stehen die Mitglieder der Geschäftsführung und des Vorstands in einer Vielzahl von Fällen vor unternehmerischen Entscheidungen:
- So hat beispielsweise die Geschäftsführerin einer Krankenhausgesellschaft über Investitionen in neue medizinische Technologien, den Ausbau von Krankenhauskapazitäten oder über eine Fusion mit einem anderen Unternehmen zu befinden, um die Marktposition zu stärken.
- Der Geschäftsführer einer Pflegeeinrichtung trifft Entscheidungen im Zusammenhang mit der Einführung neuer Pflegekonzepte oder der Anpassung von Dienstleistungen an demografische Veränderungen.
- Der Vorstand einer Stiftung hat über die (Wieder-)Anlage von Stiftungsvermögen zu entscheiden.
Die Angelegenheit und der Gegenstand, worüber die Führungskräfte im Einzelfall eine Entscheidung herbeiführen müssen, kann demzufolge so vielfältig sein, wie insbesondere der im jeweiligen Gesellschaftsvertrag oder der Satzung definierte Gegenstand und Zweck des Unternehmens ausgestaltet ist, das sie bei der Entscheidung vertreten.
Allen, auch in den hier beispielhaft angeführten Fällen ist jedoch gemein, dass die Führungskräfte zukunftsgerichtete Entscheidungen treffen, die auf bestimmten Prognosen und Annahmen basieren. Mithin werden die Folgen und Auswirkungen ihres heutigen Tuns oder Unterlassens für das von ihnen vertretene Unternehmen erst in der Zukunft spürbar.
Dabei ist aus der Sicht von Geschäftsführung und Vorstand im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht mit letzter Gewissheit absehbar, ob sie mit ihrer jeweiligen Entscheidung richtig, im Sinne von vorteilhaft für das Unternehmen, gelegen haben.
Bei solchen prognostischen Entscheidungen liegt es in der Natur der Sache, dass sich nicht alle Entscheidungen in der Nachbetrachtung als vorteilhaft für das jeweilige Unternehmen erweisen können. Bleibt der erwartete Vorteil oder Erfolg für die Gesellschaft aus und kehrt sich die Entscheidung nachträglich wohlmöglich auch noch zum Nachteil der Gesellschaft um, kommt spätestens mit Realisierung der nachteiligen Folgen für das Unternehmen die Frage einer persönlichen Haftung der seinerzeit an der Entscheidung beteiligten Mitglieder der Geschäftsführung oder des Vorstands auf.
Existiert überdies in dem Unternehmen ein Aufsichtsrat, der die Entscheidung mitgetragen hat, müssen sich auch deren Mitglieder kritische Fragen gefallen lassen.
Damit ist regelmäßig das Spielfeld für eine Haftung der Führungs- und Aufsichtskräfte bereitet, nicht hingegen freilich der konkrete Ausgang, da es insoweit viele Einzelfragen zu klären gilt.
In diesem Kontext kann die Business Judgement Rule Bedeutung erlangen. Hierbei handelt es sich um einen rechtlichen Grundsatz, der darauf abzielt, die persönliche Haftung von Geschäftsführungs-, Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern zu begrenzen, wenn diese Entscheidungen in gutem Glauben und auf der Grundlage angemessener Informationen treffen.
Gesetzlich verankert ist die Business Judgement Rule im Aktiengesetz (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG), die nach überwiegender Auffassung für andere Rechtsformen als der Aktiengesellschaft analog gilt und auch für rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts gesetzlich implementiert wurde (§ 84 a Abs. 2 Satz 2 BGB in der ab dem 01.07.2023 geltenden Fassung). Die Business Judgement Rule findet zudem Widerhall im Deutschen Corporate Governance Kodex, sowie auch in den branchen- und verbandsspezifischen Regelwerken im Non-Profit-Sektor (z. B. "Arbeitshilfe 182", Diakonischer Corporate Governance Kodex).
Danach begeht ein Organmitglied keine Pflichtverletzung, wenn es bei objektiver Beurteilung davon ausgehen durfte, eine konkrete unternehmerische Entscheidung, d. h. eine Entscheidung in wirtschaftlicher Unsicherheit, aufgrund angemessener Information zum Wohl der Körperschaft zu treffen.
Insbesondere aus Sicht der handelnden Führungs- und Aufsichtskräfte wird in Anbetracht der genannten Voraussetzungen offenbar, dass eine Entlastung auf Grundlage der Business Judgement Rule nur gelingen kann, wenn und soweit die Grundlagen und Motive der damals getroffenen Entscheidung ggf. gerichtsfest dokumentierbar sind. Den Nachweis darüber, ob im Sinne der Business Judgement Rule die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters eingehalten wurde, haben die betroffenen Führungs- und Aufsichtskräfte zu führen.
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