Kostendruck in der Gesundheitswirtschaft
Krankenhäuser und andere Leistungserbringer in der Gesundheitswirtschaft stehen vor der Herausforderung, effiziente und kostensparende Lösungen zu finden, um den steigenden Anforderungen an Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungserbringung gerecht zu werden. Dazu haben bereits viele Akteure in der Gesundheitswirtschaft Kostenteilungsgemeinschaften gegründet, um beispielsweise teure Infrastruktur gemeinsam zu nutzen oder Personal möglichst effizient einzusetzen.
Aus steuerrechtlicher Sicht stellt sich regelmäßig die Frage, wie solche Zusammenschlüsse umsatzsteuerlich zu behandeln sind. Die Leistungen, die die Gemeinschaften – häufig in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts – erbringen, sind schnell aufgrund einer Unternehmereigenschaft steuerbar, weshalb entsprechend Steuerbefreiungsnormen zu prüfen sind. Für Kostenteilungszusammenschlüsse in der Gesundheitswirtschaft zur Erbringung medizinischer Dienstleistungen ist in der Regel die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 29 UStG denkbar.
Der Zusammenschluss kann steuerfreie Leistungen an seine Mitglieder (Gesellschafter) erbringen, wenn diese die Eingangsleistungen unmittelbar im Rahmen einer steuerfreien Ausgangsleistung wie eine Heilbehandlungsleistung nutzen. Die Abrechnung muss gegen genaue Kostenerstattung erfolgen. Zudem dürfen keine Wettbewerbsverzerrungen drohen.
Bisher hatte die Finanzverwaltung den Anwendungsbereich für Kostenteilungsgemeinschaften insbesondere im Hinblick auf das Unmittelbarkeitserfordernis sowie die Wettbewerbsverzerrung restriktiv ausgelegt. Dies hat in der Praxis regelmäßig zu Unsicherheiten geführt, welche Leistungen denn nun steuerfrei an die Mitglieder erbracht werden können. Fraglich war insbesondere die Behandlung von Leistungen, die weiter von der Heilbehandlung entfernt sind als beispielsweise die gemeinsame Nutzung von Großgeräten oder Praxisinfrastruktur. So wurden seitens der Finanzverwaltung vor allem Tätigkeiten des tertiären Bereichs – zum Beispiel Verwaltungstätigkeiten, Reinigung oder andere Serviceleistungen – von der Steuerbefreiung ausgeschlossen.
Weite Auffassung des Bundesfinanzhofes
Mit Beschluss des Bundesfinanzhofes vom 4. September 2024 (XI R 37/21) hat die Rechtsprechung nun die Position der Zusammenschlüsse gestärkt.
Der Sachverhalt betrifft eine Praxisgemeinschaft, an der zwei Ärzte hälftig beteiligt waren. Das Anlagevermögen sowie Fach- und Verwaltungspersonal wurde von den Ärzten überlassen. Zur Deckung der weiteren Kosten leisteten die Beteiligten monatliche Beiträge. Die Praxisgemeinschaft wiederum hat verschiedene Personaldienstleistungen im medizinischen Bereich sowie weitere Serviceleistungen wie Reinigung und Verwaltung für die Beteiligten erbracht.
Der BFH ist unter Anwendung der Grundätze von § 4 Nr. 29 UStG zu dem Ergebnis gekommen, dass auch für die Serviceleistungen die Steuerbefreiung einschlägig ist. Für die Begründung legt der BFH im Wesentlichen den gesetzgeberischen Willen aus. Demnach soll § 4 Nr. 29 UStG dazu beitragen, die Kosten für die Gesundheitswirtschaft zu senken und demnach die Sozialkassen entlasten. Vor diesem Hintergrund sei der Begriff der Unmittelbarkeit anzuwenden und auszulegen. Der Bezug über die Kostenteilungsgemeinschaft soll eben nicht mehr belastet sein, als wenn die Leistungserbringer die Leistung selbst vorhalten müssten. Die Befreiung soll daher aus Sicht des BFH auch die Serviceleistungen befreien.
Auch einen schädlichen Wettbewerb haben die Gerichte ausgeschlossen, da mangels Tätigwerdens am Markt keine Wettbewerbsverzerrungen erkennbar waren. Vielmehr haben die Gerichte grundsätzlich ausgeschlossen, dass es bei Leistungen innerhalb der Gesundheitswirtschaft zu Wettbewerbsverzerrungen kommen kann.
Relevanz für die Praxis
Bislang konnte Umsatzsteuer auf Serviceleistungen nur innerhalb einer umsatzsteuerlichen Organschaft rechtssicher vermieden werden. Der Bundesfinanzhof eröffnet mit diesem Urteil einen breiten Anwendungsspielraum für Kooperationen von Leistungserbringern im medizinischen Bereich. So kann unter Anwendung der Urteilsgrundsätze nicht nur medizinische Infrastruktur und medizinisches Personal steuerbefreit eingesetzt werden. Vielmehr wird der Anwendungsbereich auf sämtliche für Leistungserbringer notwendige Leistungsbereiche erweitert. Die Finanzverwaltung ist nun aufgerufen, das BMF-Schreiben vom 19.07.2022 zu § 4 Nr. 29 UStG an die BFH-Entscheidung anzupassen, um mehr Rechtssicherheit für die Praxis zu schaffen.
Für die konkrete Umsetzung finden Sie weitere Informationen unter anderem in folgendem Artikel: Kooperationen
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