Die wirtschaftliche Situation in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft hat sich seit Mitte des Jahres 2023 dramatisch zugespitzt. Insbesondere die Krankenhäuser befinden sich mitten in einer Insolvenzwelle. In solchen Krisensituationen steigt vor allem der Druck auf die Liquidität und damit auch die Notwendigkeit einer deutlich engeren Steuerung.
Wirtschaftliche Situation
Ein wesentlicher Grund für die angespannte Liquiditätssituation ist die über die letzten Jahre immer größer werdende Erlös-Kosten-Schere. Im Jahr 2024 werden zudem hohe Tarifsteigerungen erwartet. Die weiteren inflationsbedingten Kostensteigerungen sind zwar inzwischen nicht mehr so dramatisch wie noch 2023, jedoch keinesfalls rückläufig. Bisher gewährte staatliche Finanzhilfen, die den Kostensteigerungen in den vergangenen Jahren entgegengewirkt bzw. pandemiebedingte Erlösrückgänge kompensiert haben, laufen aus. Darüber hinaus führen verzögerte Budgetverhandlungen zu Unsicherheit über die zu erwartenden liquiden Mittel – sowohl in Bezug auf die Höhe als auch auf den Zeitpunkt der Auszahlung.
Regulatorische Anforderungen
Im Rahmen der Liquiditätssteuerung ist es somit unabdingbar, die geltende Regulatorik im Blick zu haben. Dies gilt neben dem Zahlungsziel der Krankenkassen auch für die Going-Concern-Prämisse (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) und die Insolvenzantragspflicht. Nach § 18 InsO ist für die Liquidität ein Prognosezeitraum über 24 Monate zugrunde zu legen. Für eine überwiegend wahrscheinliche Fortführungsprognose ist nach § 19 InsO Abs.2 für mindestens 12 Monate die Finanzierung sicherzustellen (vgl. Beitrag "Das Unternehmen in der Krise").
Etablierung geeigneter Steuerungsinstrumente
Die genannten Rahmenbedingungen stellen die Steuerung vor besondere Herausforderungen. Neben der jederzeit erforderlichen mittelfristigen Liquiditätsplanung wird in Krisenphasen auch die kurzfristige, operative Liquiditätssteuerung besonders relevant. Für eine umfassende Steuerung erfolgt die Betrachtung der Liquidität idealerweise auf drei Ebenen: Plan, Ist und Prognose (Abb. 1).
Die Grundlage für die Steuerung der Liquidität bildet die Liquiditätsplanung. Wenn bereits eine integrierte Planung durchgeführt wird, liegt diese schon vor. Einrichtungen, die noch nicht über eine integrierte Planung verfügen, können die liquiditätswirksamen Zahlungsströme aus der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) und der Bilanz ableiten. Diese werden folgend unter Berücksichtigung saisonaler Schwankungen auf eine Wochensicht heruntergebrochen. Dabei werden relevante, zur Verfügung stehende Informationen herangezogen, wie z. B. durchschnittliche tägliche Faktura und deterministische Zahlungsströme wie Löhne, Gehälter und Versicherungen, die in das Zeitfenster hineinlaufen. Bereits in der Planung zeigen sich mögliche Liquiditätsengpässe.
Liquiditätssteuereung ist eine Aufgabe, die nur gemeinsam gelingen kann.
– Anneke Hohorst, Expertin für Controlling und Liquiditätssteuerung
Sobald die Planung auf Wochenbasis zur Verfügung steht, wird die Liquidität im Ist analysiert. In besonders kritischen Situationen ist eine tagesbasierte Sicht unerlässlich. Da ein wesentlicher Bestandteil der Investitionsfinanzierung gefördert ist, ist zudem der Ausweis der freien, nicht zweckgebundenen Liquidität maßgeblich, um eine Aussage über den tatsächlichen finanziellen Handlungsspielraum der Einrichtung treffen zu können.Die wichtigste, jedoch auch anspruchsvollste Dimension ist die Prognose. Während der Plan-Ist Abgleich auf die Vergangenheit ausgerichtet ist, soll die Prognose die kurz- und mittelfristige Zukunft erfassen. So können rechtzeitig Lücken zwischen geplanter und prognostizierter Liquidität erkannt werden und diese Transparenz zum Eingreifen genutzt werden.
Im Gegensatz zur Planung ist die Prognose dynamisch und wird mit Abschluss einer Woche um den definierten Prognosehorizont fortgeführt. Die Prognose erfolgt also als rollierende Sicht: Ausgehend vom Ist werden die Zahlungsströme bis zum Ende des Planungshorizonts modelliert und um neue Erkenntnisse ergänzt. Nur so kann das Liquiditätsrisiko fortlaufend bewertet werden. Insgesamt sollte der Bestand der freien Liquidität mindestens so hoch sein wie ein durchschnittlicher Aufwandsmonat (bezogen auf Personal- und Sachaufwand), um einen entsprechenden Puffer vorzuhalten.
Durch den Abgleich von Plan und Prognose, die aus dem Ist abgeleitet ist, hat das Controlling die Möglichkeit, Liquiditätsengpässe frühzeitig aufzuzeigen und die Führungskräfte so bei der Steuerung zu unterstützen, denn der regelmäßige Liquiditätsabgleich und die Bewertung relevanter Kennzahlen (vgl. Beitrag "§ 101 StaRUG") helfen, die Gründe potenzieller oder bestehender Liquiditätsprobleme zu identifizieren und Maßnahmen abzuleiten. So besteht die Möglichkeit, Auszahlungszeitpunkte zu optimieren, Patientenabrechnungen zu beschleunigen oder Kreditlinien in Anspruch zu nehmen.
Liquidität als gemeinsamer Verantwortungsbereich
Das Controlling hat die Aufgabe, liquiditätsrelevante Informationen zu bündeln und in eine Prognose zu überführen. Die fristgerechte Bereitstellung von Informationen liegt jedoch nicht allein in der Verantwortung des Controllings, sondern ist vielmehr eine Gemeinschaftsaufgabe sämtlicher Funktionen in den Einrichtungen. Um eine aussagekräftige Liquiditätsprognose zu erstellen, gilt es, für alle Liquiditätseinflussfaktoren zu definieren, in welchem Turnus entsprechende Informationen an das Controlling geliefert werden und wer die Verantwortung dafür trägt.
Das Controlling koordiniert diesen Prozess, kann aber nicht allein dafür verantwortlich sein. So sollte beispielsweise die Personalabteilung die Auszahlungshöhe für Löhne und Gehälter bereitstellen, sobald die Abrechnung fertiggestellt ist, oder der Technikbereich über größere Baurechnungen informieren. Das Medizincontrolling meldet die Anzahl abgerechneter, final und vorläufig kodierter Fälle inklusive voraussichtlicher Abrechnungswerte. Liquiditätssteuerung ist folglich als Querschnittsthema zu verstehen und kann vor allem in wirtschaftlich angespannten Zeiten nur gemeinsam erfolgen kann.
FAZIT
Vor dem Hintergrund des steigenden Liquiditätsdrucks ist der Einsatz von geeigneten Liquiditätssteuerungsinstrumenten wichtiger denn je. Diese sind als lernende Systeme zu verstehen, die rollierend angepasst und um aktuelle Informationen ergänzt werden. Dabei gilt vor allem für Einrichtungen mit angespannter Liquiditätssituation, dass eine tägliche Betrachtung angestrebt wird. Eine einrichtungsweite Sensibilisierung für die Liquiditätswirksamkeit der einzelnen Tätigkeiten ist Voraussetzung für das Gelingen der Steuerung.
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