Exakt 77-mal in weniger als zwei Jahren beschwerte sich ein Österreicher bei der örtlichen Datenschutzbehörde über mögliche Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung. Die österreichische Behörde weigerte sich, die Beschwerden noch zu bearbeiten:
Dieser Bürger habe exzessiv von seinem Beschwerderecht Gebrauch gemacht und es damit übertrieben. Doch so ohne weiteres könne die Datenschutzbehörde Beschwerden nicht liegen lassen, hat der Europäische Gerichtshof entschieden.
Das gilt sicherlich zunächst für die Aufsichten, aber es ließe sich wohl übertragen. Es reiche nicht aus, dass eine Vielzahl von Beschwerden in kurzer Zeit eingereicht würde. Erst, wenn das gesetzliche Beschwerderecht missbraucht werden soll, kann die Behörde die Bearbeitung verweigern. Aber: Die Behörde muss dies dem Bürger nachweisen. "Etwa die Absicht, die Behörde durch Überflutung mit Beschwerden zu lähmen", erklärt Hartmut Ost, Pressesprecher des EuGH.
Wird die Missbrauchsabsicht nachgewiesen, kann die Aufsichtsbehörde selbst entscheiden, wie sie mit den Beschwerden umgeht.
Sie könne die Beschwerde entweder zurückweisen oder aber eine angemessene Gebühr für die Bearbeitung erheben. Egal, für welche Option sich die Beamten entscheiden: es muss verhältnismäßig sein, so die Richter in Luxemburg.
Für die Aufsichtsbehörden ist das Urteil wohl keine sonderlich gute Nachricht. Sie haben immer wieder mit Einzelpersonen zu tun, die viele Beschwerden erheben. Das zeigt sich auch in unserer Beratungspraxis, da wir regelmäßig aufgefordert sind, für unsere Mandanten Stellung zu den Beschwerden zu nehmen.
Die Bearbeitung exzessiver Beschwerden bindet viel Kapazität, die dann für andere, wichtige Aufgaben fehle. Das Mittel werde aber teils instrumentalisiert. So komme es beispielsweise vor, dass Bürger unter falschem Namen mehrfach ähnliche Beschwerden einreichten. Immerhin: solche Fälle kämen meist ans Licht. Einige Behördenvertreter sind dennoch optimistisch, dass die Aufsichtsbehörden auch nach diesem EuGH-Urteil in solchen Fällen die Bearbeitung verweigern können. Das Urteil beschert den Aufsichtsbehörden aber auf jeden Fall einen größeren Aufwand.
Betroffenen gebe das Urteil aber Rechtssicherheit, so Christina Rost, Landesdatenschutzbeauftragte in Sachsen-Anhalt: "Es sichert die Betroffenenrechte ab." Ihren Mitarbeitenden gebe das Urteil ebenfalls Klarheit, wie sie mit exzessiven Beschwerden umgehen können.
Das Urteil erinnert an einen ähnlichen Fall. Hier entschied der EuGH, dass bei "exzessiven" Anfragen das Recht bestehe, entweder ein angemessenes Entgelt zu verlangen oder die Bearbeitung abzulehnen – allerdings nur in Fällen von Rechtsmissbrauch.
Kriterienkatalog zur Prüfung “exzessiver” Anfragen:
- Mehrfache Anfragen an denselben Verantwortlichen
- Gleicher oder sehr ähnlicher Inhalt der Anfragen
- Wiederholung in übertrieben kurzen Zeitabständen
- Keine Änderung der tatsächlichen Umstände, die die Anfragen rechtfertigen
- Hinweise auf die Absicht, das ordnungsgemäße Funktionieren des Unternehmens zu beeinträchtigen
Sollten Sie Unterstützung bei Betroffenenanfragen benötigen, kommen Sie gerne auf uns zu. Jetzt Kontakt aufnehmen!