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Neue Wohngemeinnützigkeit in der Praxis

Immobilien

Der Gesetzgeber hat mit Wirkung zum 1. Januar 2025 die vergünstigte Vermietung von Wohnraum in den Katalog gemeinnütziger Zwecke aufgenommen. Der Beitrag beleuchtet neben ersten Praxisfragen mögliche Vorteile für Träger steuerbegünstigter Unternehmen.

Hintergrund

Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2024 hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1. Januar 2025 die „Förderung wohngemeinnütziger Zwecke“ in den Katalog der gemeinnützigen, die Allgemeinheit fördernden Zwecke in der Abgabenordnung aufgenommen. Durch die neue Wohngemeinnützigkeit soll, so das politische Motiv, für breitere Bevölkerungsschichten langfristig mehr dauerhaft bezahlbarer Wohnraum in Deutschland gesichert und geschaffen werden. Von der Regelung können auch Unternehmen der Sozialwirtschaft profitieren, die ihre Wohnungsbestände sichern und ausbauen wollen.

Gesetzliche Neuregelung

Die Überlassung von vergünstigtem Wohnraum an hilfebedürftige Personen im Sinne des § 53 AO ist mit § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 27 AO in den Katalog der gemeinnützigen Zwecke aufgenommen. Paragraf 53 Nr. 2 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bezüge nicht höher sein dürfen als das Fünffache des Regelsatzes der Sozialhilfe im Sinne des § 28 SGB XII; bei Alleinstehenden oder Alleinerziehenden tritt an die Stelle des Fünffachen das Sechsfache des Regelsatzes. Die Hilfebedürftigkeit muss zu Beginn des jeweiligen Mietverhältnisses vorliegen. Grundsätzlich gilt, dass die (Dauer-)Vermietung von Wohnungen als eine vermögensverwaltende Tätigkeit einzustufen ist. Bei einer vergünstigten Vermietung an hilfebedürftige Personen nach § 53 AO ist die Vermietung dagegen als „ideelle Zweckverwirklichung“ anzusehen. Dabei ist die Überlassung von Wohnraum unter drei Voraussetzungen steuerbegünstigt:
 

  1. Anforderungen an Vermieter

    Vermieter müssen eine steuerbegünstigte Körperschaft gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG sein und satzungsgemäß gemeinnützige Zwecke verfolgen. Soweit entsprechende Körperschaften bereits in der Vergangenheit nach ihrer Satzung Leistungen an hilfebedürftige Personen nach § 53 AO im Rahmen der Mildtätigkeit erbracht haben, erscheint es nach derzeitigem Verständnis gleichwohl geboten, im Hinblick auf eine vergünstigte Wohnraumüberlassung nach
    § 52 AO die Verfolgung gemeinnütziger Zwecke in die Satzung aufzunehmen, ggf. im Wege einer Satzungsänderung.
     

  2. Anforderungen an Mieter

    Unter Verweis auf § 53 AO sind zwei Varianten privilegiert – die persönliche und die wirtschaftliche Hilfebedürftigkeit:

    Persönliche Hilfebedürftigkeit
    Persönliche Hilfebedürftigkeit liegt gem. § 53 Abs. 1 Nr. 1 AO bei Mietern stets dann vor, wenn sie körperlich, geistig oder seelisch hilfebedürftig sind. Zum Nachweis kann z. B. eine Pflegeeinstufung vorgelegt oder nachgewiesen werden, dass Mieter bereits 75 Jahre oder älter sind. Auf eine wirtschaftliche Unterstützungsbedürftigkeit kommt es dann nicht (mehr) an. Allerdings gilt es bei der Wohnraumüberlassung zu beachten, dass nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung das Wohnen für ältere Menschen nicht allein deshalb nach § 53 Nr. 1 AO als mildtätig eingestuft werden darf, weil dort ausschließlich oder überwiegend Personen leben, die 75 Jahre und älter sind. Der BFH folgt dieser engen Auslegung nicht, sondern kommt mit Urteil vom 24. Juli 1996 zu folgendem Ergebnis: Wenn Personen, die aufgrund besonderer sozialer Probleme Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Wohnraum haben und dadurch notleidend sind, allein aufgrund ihres Sozialstatus (vergünstigt) Wohnraum angeboten wird, ist dies als ideelle Zweckverwirklichung zu werten, sodass sich der Nachweis einer wirtschaftlichen Hilfebedürftigkeit nach § 53 Nr. 2 AO insoweit erübrigen dürfte. Diese Auffassung steht allerdings unter dem Vorbehalt einer zustimmenden Sichtweise der Finanzverwaltung, weshlab es gilt, die weiteren Entwicklungen zu beobachten.

    Wirtschaftliche Hilfebedürftigkeit
    Wirtschaftlich hilfebedürftig sind Mieter, deren Bezüge nicht höher sind als das Fünffache bzw. bei Alleinerziehenden oder Alleinstehenden das Sechsfache des Regelsatzes der Sozialhilfe nach § 28 SGB XII. Zu den relevanten Bezügen zählen alle Einkünfte sowie alle anderen für die Bestreitung des Unterhalts bestimmten oder geeigneten Bezüge aller Haushaltsangehörigen (Abschn. 6 S. 1 AEAO zu § 53 AO). Der Regelsatz ist ein monatlich gezahlter, pauschaler Betrag, um den Regelbedarf zu decken. Er diente zur Deckung von Ausgaben wie etwa für Ernährung, Kleidung oder die Anschaffung von Haushaltsgeräten. Die Höhe dieser Leistung ist davon abhängig, ob die Person zum Beispiel allein lebt oder verheiratet ist, ob sie erwachsen oder ein Kind ist. Die entsprechenden Höhen werden als sog. Regelbedarfsstufen regelmäßig angepasst.
     

  3. Anforderungen an den Mietzins

    Der Mietzins muss vergünstigt sein und damit dauerhaft unter der marktüblichen Miete liegen. Dazu ist jeweils zu Beginn des Mietverhältnisses und bei jeder Mieterhöhung darzulegen,

  • dass entweder der Mietzins dauerhaft unter
    der marktüblichen Miete angesetzt ist; diese
    orientiert sich an der ortsüblichen Nettokaltmiete
    lt. Mietpreisindex
  • oder dass der Mietzins nur die tatsächlichen
    Aufwendungen (inkl. Abschreibungen)
    ohne Gewinnaufschlag deckt.

Vorteile der Neuregelung
 

Für die Praxis einer vergünstigten Wohnraumvermietung ist zum einen vorteilhaft, dass die Einhaltung der Einkommensgrenze nur am Anfang des Mietverhältnisses geprüft werden muss. Steigende Einkommen der Mieter sind unschädlich und führen nicht dazu, dass das Mietverhältnis zu kündigen ist. Außerdem sind die Grenzwerte für die Ermittlung der Einkommensbezüge im Vergleich zur bisherigen Regelung des § 53 Nr. 2 AO höher, also dürfte ein deutlich größerer Kreis potenzieller Mietinteressenten (ca. 60 % der Haushalte in Deutschland) für die vergünstigte Vermietung in Betracht kommen. Sind die Voraussetzungen erfüllt, werden potenziell entstehende (Anfangs-)Verluste aus dem Bereich der vergünstigten Wohnraumüberlassung gemeinnützigkeitsrechtlich toleriert und können zudem mit Überschüssen aus dem ideellen Bereich bzw. steuerbegünstigten Zweckbetrieben ausgeglichen werden.

FAZIT

Im Unterschied zur bisherigen Zuordnung der reinen Wohnraumüberlassung zur Sphäre der steuerfreien Vermögensverwaltung eröffnet die Zuordnung zum ideellen Bereich Gestaltungsmöglichkeiten: Es ergeben sich nun umfangreiche Finanzierungsmöglichkeiten von Investitionen in die Errichtung, Instandhaltung und Modernisierung von Wohnimmobilien, auch mit zeitnah zu verwendenden Mitteln, z. B. mit Spendengeldern. Zudem können Verluste, die ggf. in der Anfangsphase einer vergünstigten Vermietung zu erwarten sind, mit Überschüssen aus anderen ideellen Tätigkeiten bzw. steuerbegünstigten Zweckbetrieben verrechnet werden.

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