Die Geschichte der Umsatzbesteuerung von Fertigarzneimitteln für Ambulanzpatienten steuert im Schlingerkurs auf ihren Höhepunkt (und hoffentlich auf ihr Ende) zu.
Was bisher geschah
Viele Krankenkassen fordern von Krankenhäusern im Klagewege die Erstattung der Differenz zwischen Regelsteuersatz (19 %) und ermäßigtem Steuersatz (7 %) auf Fertigarzneimittel, die an ambulant behandelte Patienten abgegeben wurden. Das Bundessozialgericht (BSG) wies diesen Rückforderungsanspruch in seinem Urteil vom 10. November 2021 zurück, da bei den Krankenhäusern aufgrund der unsicheren Rechtslage keine einfache und risikolose Durchsetzung der Umsatzsteuererstattung möglich war (wir berichteten im Newsletter Gesundheitswirtschaft vom 17.02.2022).
Daraufhin wandten sich die Rechtsvertreter der Krankenkassen an das Bundesfinanzministerium (BMF) mit der Bitte, zu bestätigen, dass die Verfügungslage in den Streitjahren – entgegen der Beurteilung des BSG – eindeutig war. Dem ist das BMF (leider) nachgekommen. In einem Schreiben vom 10. Juni 2022 führt das BMF aus, dass die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auch bereits in der Vergangenheit nach den Regelungen des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses geltende Rechtslage gewesen sei. Zumindest für alle zum 30. Januar 2015 noch offenen Fälle sei dies eindeutig. Es ist zu erwarten und auch bereits zu beobachten, dass die Vertreter der Krankenkassen mit diesem Schreiben vor den Sozialgerichten weiter versuchen werden, den Rückforderungsanspruch der Krankenkassen durchzusetzen.
Der Versuch der Krankenhausgesellschaften und einiger Rechtsvertreter beklagter Krankenhäuser, das BMF zu einer Richtigstellung zu bewegen, war leider nur teilweise erfolgreich. Grundsätzlich bestätigte das BMF in seiner Antwort vom 11. Juli 2022 seine originäre Einschätzung. Es wurde lediglich hervorgehoben, dass das Schreiben vom 10. Juni 2022 nicht als Verwaltungsanweisung zu verstehen ist. Des Weiteren gab das BMF zu, dass es davon ausgeht, dass die Finanzämter die geltende Verwaltungsauffassung nicht in jedem Einzelfall korrekt angewendet haben.
Komplettiert wurde die Verwirrung zwischenzeitlich durch ein Urteil des Finanzgerichts Sachsen-Anhalt, dass zu dem Ergebnis kam, dass die Leistungen weder mit 19 % noch mit 7 % zu versteuern sind, sondern komplett von der Umsatzsteuer befreit bleiben (wir berichteten im Newsletter Gesundheitswirtschaft vom 24.05.2022).
Wie geht es weiter?
Das BMF hat angekündigt, eine klarstellende Verwaltungsanweisung zu dem Thema zu veröffentlichen. Es wird allgemein erwartet, dass das BMF-Schreiben dem Urteil des Finanzgerichts Sachsen-Anhalt folgt und die Abgabe von Fertigarzneimitteln an Ambulanzpatienten steuerfrei stellt. Mit der Veröffentlichung ist noch vor Jahresende zu rechnen.
Spannend wird die Frage, wie das BMF den Umgang mit der Vergangenheit regelt. In vergleichbaren Fällen wurden wiederholt Nichtbeanstandungsregelungen für vergangene Veranlagungszeiträume geschaffen. Dies ist auch hier zu erwarten. Entscheidend ist aber, wie weit diese Regelungen gehen wird. Lässt das BMF eine steuerpflichtige Behandlung vor einem bestimmten Stichtag weiterhin zu? Geht es vielleicht sogar so weit, dass für die Vergangenheit noch ein Wechsel von 19 % auf 7 % hingenommen wird? Dies alles bleibt abzuwarten.
Was ist zu tun?
Krankenhäuser, die für noch offene Jahre bislang noch keine Reduzierung der Umsatzsteuer von 19 % auf 7 % beantragt haben, könnten – nach eingehender Analyse der Sach- und Rechtslage im Einzelfall – in Erwägung ziehen, diesen Schritt möglichst noch vor Veröffentlichung des BMF-Schreibens zu gehen. Schließlich wäre damit der steuerlich günstigste Zustand (ermäßigter Steuersatz bei vollem Vorsteuerabzug) hergestellt und bei einer entsprechenden Nichtbeanstandungsregelung auch endgültig. Auf diese Art könnte man sich gegen ein Restrisiko in Bezug auf Rückforderungsansprüche der Krankenkassen absichern. Sofern Sie in dieser Frage unsere Unterstützung benötigen, kommen Sie gerne jederzeit auf uns zu.
Auch im Hinblick auf die sozialgerichtlichen Klageverfahren ist es nach wie vor erforderlich, den Sachverhalt im konkreten Einzelfall zu würdigen. Klar ist, dass die Rechtslage im Hinblick auf die Anwendung eines reduzierten Umsatzsteuersatzes auf Fertigarzneimittel keinesfalls so klar ist, wie dies von den klagenden Krankenkassen und deren Prozessvertretern dargestellt wird. Gerne unterstützen wir Sie dabei. Jetzt Kontakt aufnehmen!