Die Träger vollstationärer Pflege- und Behinderteneinrichtungen werden seit Kurzem von einzelnen Krankenkassen aufgefordert, einen Nachweis zur Umsatzsteuerpflicht zu erbringen. Andernfalls seien diese nur zur Abrechnung des Nettobetrags berechtigt. Die Kostenträger drohen in diesem Zusammenhang Rückforderungsansprüche an und halten teilweise bis zum erfolgten Nachweis der Umsatzsteuerpflicht Zahlungen gänzlich zurück.
Worum geht es?
Einige Pflege- und Behinderteneinrichtungen versorgen ihre Bewohner:innen mit Inkontinenzhilfsmitteln und rechnen, sofern sie dem Hilfsmittelvertrag mit dem jeweiligen Kostenträger gemäß § 127 Abs. 1, 2 SGB V beigetreten sind, gegenüber diesem die vereinbarte Monatspauschale ab. Aus Sicht einzelner Kostenträger beinhalte die Preisvereinbarung, die dem Vertrag zugrunde liegt, eine sog. Nettopreisabrede, sodass nur umsatzsteuerpflichtige Leistungserbringer zur Abrechnung des Bruttobetrags berechtigt seien. Umsatzsteuerbefreite Leistungserbringer hingegen könnten nur den Nettobetrag abrechnen.
Problemstellung
Bei der Abgabe von Inkontinenzmitteln an hilfsbedürftige Bewohner:innen im Rahmen ihrer Pflege handelt es sich u. E. um einen mit der Pflegeleistung eng verbundenen Umsatz. Unter Berücksichtigung dessen ist die oben beschriebene Inkontinenzversorgung umsatzsteuerfrei. Infolgedessen können diese Einrichtungen keinen Vorsteuerabzug aus dem Einkauf der Inkontinenzmittel vornehmen.
Eine sachgerechte Preisvereinbarung ist notwendig, um faire Bedingungen und eine hochwertige Versorgung zu gewährleisten. – Celina Tarras, Expertin für rechtliche Fragen zur Hilfsmittelversorgung
Begrenzen die Kostenträger die Monatspauschale nun auf den Nettoeinkaufspreis, so bedeutet dies für die Einrichtungen, dass sie unmittelbar von der anfallenden Umsatzsteuer belastet sind. Denn bei Umsatzsteuerpflichtigkeit muss die Umsatzsteuer zwar an das Finanzamt abgeführt werden, gleichzeitig können die Vorsteuerbeträge aus den Einkaufsrechnungen aber in Abzug gebracht werden. Anders verhält es sich, wenn die Leistung als
umsatzsteuerfrei erachtet wird und lediglich der Nettovertragspreis abrechenbar ist. Denn hier bezahlt die Einrichtung zunächst denselben Einkaufspreis beim Hersteller der Inkontinenzprodukte. Dadurch, dass das Inkontinenzverbrauchsmaterial im Rahmen der Pflege dann für umsatzsteuerfreie Außenumsätze verwendet wird, ist gem. § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ein Vorsteuerabzug für die damit in Verbindung stehenden Eingangsrechnungen aber ausgeschlossen, wodurch sich der tatsächliche Einkaufspreis um die enthaltene Umsatzsteuer erhöht. Diese Differenzierung nach Netto- und Bruttobetrag führt zu einer unangemessenen Benachteiligung der Einrichtungen, deren Leistung als umsatzsteuerfrei eingestuft wird. Denn es ist im Ergebnis nicht sachgerecht, dass Einrichtungen, deren Leistungen als umsatzsteuer- pflichtig eingestuft werden, mehr Unterstützung erhalten als solche, die mit ihren Leistungen von der Umsatzsteuer befreit sind.
FAZIT
Die unterschiedliche Behandlung der Leistungserbringer – abhängig von ihrer Umsatzsteuerpflicht oder -befreiung – führt zu einer deutlichen Wettbewerbsverzerrung. Darüber hinaus stellt sie nicht nur eine finanzielle Belastung für die Träger dar, deren Leistungen umsatzsteuerfrei zu behandeln sind, sondern hat mitunter auch Folgen für die adäquate pflegerische Versorgung der Bewohner:innen.
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