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Umsatzsteuerbefreiung für Telemedizin

EuGH entscheidet über Beratungsleistungen

Die Digitalisierung hat die Medizin längst erreicht. Auch medizinische Beratungsgespräche finden zunehmend unter Zuhilfenahme technischer Kommunikationsmittel statt. Durch die aktuelle Corona-Krise wird diese Entwicklung sicherlich noch beschleunigt.

Doch wie sind Gesundheitsleistungen per Telefon, Video oder App steuerlich einzuordnen? Sowohl der Gesetzgeber als auch die Finanzverwaltung lassen bisher klare Vorgaben zu dieser Thematik vermissen. Nun hat der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 5. März 2020 (C 48/19) Leitplanken für die umsatzsteuerliche Würdigung telefonischer Beratungsleistungen gesetzt, die für alle telemedizinischen Angebote relevant sein dürften.

Im Streitfall betrieb eine GmbH ein sog. Gesundheitstelefon im Auftrag gesetzlicher Krankenkassen. Inhaltlich ging es um die medizinische Beratung der Versicherten, u. a. in Form situationsbezogener Informationen zum jeweiligen Krankheitsbild. Am Telefon saßen Krankenschwestern und medizinische Fachangestellte, die größtenteils als „Gesundheitscoach“ ausgebildet waren.

Der Bundesfinanzhof hatte zu prüfen, ob diese Leistungen von der Umsatzsteuer befreit sind (Az. XI R 19/15). Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass zunächst zwei Fragen im Wege der Vorabentscheidung auf europäischer Ebene zu klären sind:

1. Können telefonisch erbrachte Beratungsleistungen unter die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSyRL (§ 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG) fallen?

Antwort des EuGH: Ja, wenn sie eine therapeutische Zielsetzung verfolgen, also den Patienten über seine individuelle Situation informieren und konkrete Behandlungen und Therapien vorschlagen. Dies kann auch ohne ärztliche Verschreibung bzw. anschließende ärztliche Behandlung erfolgen.

Nicht befreit sind dagegen allgemeine Auskünfte über Erkrankungen oder Therapien bzw. Hilfestellungen administrativer Art (z. B. die Mitteilung der Kontaktdaten eines Arztes).

2. Greift die Steuerbefreiung auch für Leistungen, die von Krankenpflegern und medizinischen Fachangestellten erbracht werden, oder ist eine zusätzliche berufliche Qualifikation erforderlich?

Antwort des EuGH: Die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie stellt für telefonische Beratungsleistungen grundsätzlich keine zusätzlichen Anforderungen an die berufliche Qualifikation. Allerdings wird vorausgesetzt, dass die Leistungen insgesamt ein ausreichendes Qualitätsniveau aufweisen.

Die Entscheidung darüber, welche Berufe hierfür geeignet und welche Qualifikationen nachzuweisen sind, liegt im Ermessen der Mitgliedsstaaten.

Im Ergebnis ergeben sich aus dem Urteil zwei wesentliche Erkenntnisse.

Einerseits macht der EuGH deutlich, dass telefonische Beratungsleistungen als steuerfreie Heilbehandlungsleistungen geeignet sind, wenn dabei nicht nur allgemeine Auskünfte erteilt werden. In der Praxis wird es entscheidend sein, ob im Einzelfall nachgewiesen werden kann, dass tatsächlich eine diagnostische oder therapeutische Leistung erbracht wurde.

Andererseits gibt der EuGH dem Gesetzgeber die Aufgabe mit, sich über die Qualifikationsstandards in der Telemedizin Gedanken zu machen. Aus Gründen der Rechtssicherheit bleibt zu hoffen, dass er sich dieses Themas zeitnah annimmt. 

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