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Wirtschaftliche Entwicklungen

in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft

Die aktuellen volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind gekennzeichnet durch hohe Inflationsraten in den Jahren 2022 und 2023. Das sehr geringe Wachstum des Bruttoinlandprodukts zeigt Auswirkungen auf die Haushaltslage der Länder und Kommunen. Hinzu kommt ein in den vergangenen fünf Jahren deutlich gestiegenes Zinsniveau. Diese Rahmenbedingungen spiegeln sich auch in der wirtschaftlichen Entwicklung der Unternehmen in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft im Bilanzjahr 2023 wider. Weitere Herausforderungen sind zudem die Auswirkungen des Fachkräftemangels, nicht refinanzierte Kostensteigerungen, ein massiv steigender Investitionsbedarf sowie eine Flut neuer Gesetze, Regelungen und Vorschriften. 

Wirtschaftliche Entwicklung der deutschen Krankenhäuser

Auswertungen aus der Curacon-Benchmark-Datenbank für Jahresabschlüsse der aktuellen Prüfungssaison (Geschäftsjahr 2023) bestätigen die Befürchtungen: Der Krankenhaussektor steckt trägerübergreifend tief in einer Ergebnis- und Liquiditätskrise. 

Die bereits in der Vergangenheit nicht ausreichenden Umsatzrenditen sind 2023 weiter zurückgegangen und liegen mit + 0,1 % gerade noch im positiven Bereich. Notwendige Investitionen – die schon lange nicht mehr, wie in der Dualen Finanzierung vorgesehen, vollständig durch die Länder getragen werden – können somit nicht mehr aus dem operativen Ergebnis finanziert werden. Die Aufnahme von Bankkrediten scheidet aufgrund der unsicheren wirtschaftlichen Lage (ohne Bürgschaft der Träger) zumeist aus, sodass Investitionen zurückgestellt werden müssen. Höhere laufende Kosten bei gleichzeitig verzögerten Zahlungen der Krankenkassen aufgrund des steigenden Bestands von Ausgleichsforderungen führen zu einer weiteren Belastung der Liquidität und der Inanspruchnahme von Kreditlinien. Immer mehr Krankenhäuser schreiben Verluste – und die Aussichten für 2024 bleiben schlecht.

Die durchschnittliche Bettenauslastung sinkt 2023 trotz Bettenabbau auf nur noch 68 % (2022: 71%). Die staatlichen Hilfsmaßnahmen für die Krankenhäuser gehen 2023 deutlich zurück – das Umsatzwachstum fällt mit +2,3 % (Vorjahr +4,4 %) entsprechend gering aus. Trotz deutlichem Leistungsrückgang bauen die Krankenhäuser weiteres Personal (+2,7 % Vollkräfte) auf. Bedingt durch die Ausgliederung des Pflegebudgets wächst insbesondere die Zahl der Pflegekräfte mit +5,1 % deutlich (Ärzte +2,6 % ggü. Vorjahr).

Die Schere zwischen Umsatz- und Kostenentwicklung klafft immer weiter auseinander. Tarifsteigerungen, weiterer Personalaufbau und inflationsbedingte Kostensteigerungen von +7,5 % gegenüber 2022 erhöhen die Belastung für die Krankenhäuser. Gleichzeitig liegt das Leistungsvolumen der Krankenhäuser etwa 12 % unter dem Niveau von 2019.

Im Jahr 2023 haben 30 Krankenhäuser Insolvenz angemeldet – drei Mal so viele wie 2022. Bis einschließlich August 2024 meldeten bereits 20 Krankenhäuser Insolvenz an, und die Prognosen der Deutschen Krankenhausgesellschaft deuten darauf hin, dass sich die Anzahl der Insolvenzen in diesem Jahr verdoppeln könnte – ein unkontrollierter Abbau von etablierten Versorgungsstrukturen, der zu einer Gefährdung der Patientenversorgung führen kann.

Wirtschaftliche Entwicklung in der Altenhilfe

Der Pflegemarkt steht insbesondere durch die demografische Entwicklung, die Notwendigkeit der Digitalisierung sowie den Investitionsbedarf in energetische Sanierungen vor großen Herausforderungen. Hierbei steht der wachsenden Zahl von Pflegebedürftigen ein Personalmangel gegenüber, der sich aufgrund des Ausscheidens der Babyboomer aus dem Erwerbsleben verschärft. Auch die Fragen nach einer nachhaltigen Finanzierung der Pflegeversicherung sowie dem Schutz der Pflegebedürftigen vor ausufernden Kostensteigerungen sind bisher unbeantwortet geblieben. 

Durch eine unzureichende Refinanzierung von Kostensteigerungen sowie einen zunehmenden Personalmangel geraten immer mehr Pflegeeinrichtungen in eine Schieflage. Die zu versorgende Klientel ist zunehmend mit Leistungseinschränkungen und wachsenden Kostenbelastungen konfrontiert. 

Die Pflegeeinrichtungen sind zunächst auch aufgrund der Schutzschirme besser als erwartet durch die Pandemie gekommen. Die Renditen sind im Jahr 2023 jedoch weiter unter Druck geraten. Gründe hierfür waren das Auslaufen der Schutzschirme, mitunter sinkende Auslastungen, eine unzureichende bzw. zeitlich verzögerte Refinanzierung von Kostensteigerungen, die auf Inflation und die Umsetzung der Tariftreuepflicht zurückzuführen waren. 

Zunehmender Personalmangel zwingt zur Abwägung zwischen Leistungseinschränkungen, verbunden mit den daraus folgenden sinkenden Belegungsquoten (Einnahmen) einerseits, und der Inanspruchnahme von teurem Fremdpersonal andererseits. Laut einer Kurzbefragung ist der Anteil der defizitären Einrichtungen seit 2022 in der stationären Altenhilfe (st. AH) auf 46 % (2022: 23 %, 2023: 35 %) und in der ambulanten Altenhilfe (amb. AH) sogar auf 51 % (2022: 35 %, 2023: 47 %) angestiegen. Der Median der Betriebsergebnisse innerhalb des Curacon-Datenpools ist für 2023 auf –1.090 Euro (2022: +531 Euro/Platz) gesunken, wonach 67 % der Einrichtungen (ohne außerordentliche Effekte) defizitär waren.

Der Pflegemarkt ist in der Versorgung noch sehr fragmentiert. Da ungefähr die Hälfte der stationären und ambulanten Einrichtungen weniger als 50 Pflegebedürftige versorgen, ist eine weitergehende Marktkonzentration und Konsolidierung zu erwarten. Schon lange stehen flankierende Maßnahmen des Gesetzgebers in den zentralen Handlungsfeldern Fachkräftemangel, Strukturreformen sowie nachhaltige Finanzierung der Sozialen Pflegeversicherung, und nicht zuletzt auch auskömmliche Betriebskosten aus.

Wirtschaftliche Entwicklung in der Eingliederungshilfe und von Werkstätten

Die Eingliederungshilfe (EGH) in Deutschland steht vor erheblichen ökonomischen Herausforderungen. Steigende Kosten und Inflation treiben die Personal- und Betriebsausgaben der Einrichtungen in die Höhe. Der Fachkräftemangel verschärft die Lage weiter, da qualifiziertes Personal im Sozial- und Pflegebereich knapp ist und Löhne steigen, während die Versorgung darunter leidet. Gleichzeitig wächst die Nachfrage nach Eingliederungshilfe, doch die Finanzierungsbasis der Kommunen bleibt unzureichend. Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) erhöht den Verwaltungsaufwand, während fehlende Digitalisierung die Ineffizienz von Prozessen verschärft. 

Die wirtschaftliche Lage der Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) hat sich verschlechtert. Laut Curacon-Datenpool erzielten im Jahr 2023 nur 58 % der Unternehmen positive Ergebnisse, während der Anteil mit negativen Ergebnissen von 22 % (2019) auf 27 % im Jahr 2023 stieg. Die Personalaufwandsquote erreichte im Jahr 2023 mit 68,8 % einen Höchststand, was den Fachkräftemangel und steigende Löhne widerspiegelt. Trotz eines Umsatzanstiegs von über 6 % bleibt die Umsatzrentabilität mit 1,6 % niedrig. Auch die Materialkosten sind aufgrund höherer Einkaufspreise deutlich gestiegen.

Im Markt sind zunehmend kritische wirtschaftliche Situationen zu beobachten, die teilweise bereits zu erheblichen Krisen und (drohenden) Insolvenzen geführt haben. Diese Entwicklungen verdeutlichen die dringenden strukturellen und finanziellen Herausforderungen, denen viele Einrichtungen gegenüberstehen.

Wirtschaftliche Entwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe

Auch die wirtschaftliche Entwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe ist maßgeblich von den deutlichen Steigerungen der Personal- und Sachkosten und den eingeschränkten Refinanzierungsmöglichkeiten der Träger beeinflusst. Die Personalkosten sind im Jahr 2023 aufgrund der tariflichen Entwicklungen bzw. der Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie stark angestiegen. Im Bereich der Sachkosten haben sich insbesondere die Aufwendungen für Lebensmittel und für Energie erhöht. 

Während die Kostensteigerungen flächendeckend zu verzeichnen sind, ist die Frage der Refinanzierung differenziert zu betrachten. Bei den Entgeltveränderungen, die durch Regelwerke vorgegeben sind, reichen die sich daraus ergebenden Entgelterhöhungen vielfach nicht aus. So haben die Einrichtungen im Bereich des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) in NRW im Kita-Jahr 2023/24 erhebliche und z. T. existenzbedrohende Verluste hinnehmen müssen.

Andere Einrichtungen, die z. B. Leistungen in der ambulanten oder stationären Jugendhilfe erbringen, konnten mit den Kommunen auskömmliche Entgelterhöhungen vereinbaren. Der Curacon-Datenpool zeigt für das Geschäftsjahr 2023 bei einer mit 82,2 % leicht rückläufigen Personal-/Materialaufwandsquote einen Anstieg der betrieblichen Erträge je Vollkraft um fast 10 % gegenüber dem Vorjahr. Dementsprechend ist die Umsatzrendite von 0,76 % (2022) auf 1,53 % angestiegen.

AUSBLICK

Aktuelle Befragungsergebnisse von mehr als 700 Einrichtungen zeigen auch für 2024 eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Ergebnisse. Mit Ausnahme der Eingliederungshilfe rechnen 43 % der Komplexträger und 59 % der Krankenhäuser mit einer weiteren Ergebnisverschlechterung. Nur die Einrichtungen der Eingliederungshilfe zeigen sich optimistischer: Hier gehen 55 % unveränderten Ergebnissen aus, 32 % rechnen mit einer Ergebnisverschlechterung.

Dieser Artikel stammt aus unserem Mandantenmagazin Curacontact, das 4 x im Jahr aktuelle Themen für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft, für Öffentlichen Sektor und Kirche aufbereitet. Interesse? Jetzt kostenlos abonnieren!