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Grundsteuerbefreiung für besondere Wohnformen?

Überlegung zur Grundsteuerreform im Sinne des BTHG

Durch die Reform der Grundsteuer rückt auch die Frage nach der Grundsteuerbefreiungen oder -vergünstigungen zunehmend in den Fokus. Eine Diskrepanz ergibt sich bei besonderen Wohnformen im Sinne des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) und dem Absolutismus des Wohnungsbegriffs nach dem Bewertungsgesetz. Unseres Erachtens hat der Gesetzgeber bei dem Ausschluss von der Befreiung die Besonderheiten des BTHG außer Acht gelassen, so dass der Ausschlusstatbestand teleologisch zu reduzieren ist. 

Grundsteuerbefreiung

Eine Grundsteuerbefreiung liegt nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) i. V. m. 5 Abs. 1 Nr. 3 GrStG und 7 GrStG vor, wenn der Grundbesitz einer inländischen Körperschaft, die nach der Satzung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige oder mildtätige Zwecke verfolgt, zuzurechnen ist und zum anderen unmittelbar oder mittelbar für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke genutzt wird. Jedoch regelt § 5 Abs. 2 GrStG eine Ausnahme von den oben genannten Befreiungsnormen, wonach Wohnungen stets steuerpflichtig sind.

Wohnungsbegriff nach § 5 Abs. 2 GrStG

Der Wohnungsbegriff bestimmt sich nach § 181 Abs. 9 BewG. Unter einer Wohnung ist die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein muss, dass die Führung eines selbständigen Haushalts möglich ist. Die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen muss eine von anderen Wohnungen oder Räumen, insbesondere Wohnräumen, baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bilden und einen selbständigen Zugang besitzen. Außerdem ist erforderlich, dass die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Nebenräume (Küche, Bad oder Dusche, Toilette) vorhanden sind, wobei die Küche auch gemeinsam genutzt werden kann. Die Wohnfläche muss mind. 23 Quadratmeter betragen; der Rechtsprechung genügen aber auch geringere Flächen.

Wohnungsbegriff nach dem Sozial-, Bauordnungs- sowie Verbraucherschutzrecht

Der Wohnungsbegriff ist nach dem Grundsteuergesetz unter Anwendung des Bewertungsgesetzes eng auszulegen. Umfasst wären nach dieser rein technischen Definition auch besondere Wohnformen in der Eingliederungshilfe, welche in Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) besondere Aufmerksamkeit erlangt haben. Dieses Ergebnis ist u. E. rechtsfehlerhaft und steht keineswegs im Einklang mit der bis dato zum Wohnungsbegriff ergangenen Rechtsprechung, weil die Finanzgerichte bisher noch gar keine Gelegenheit hatten, sich mit den Rechtswirkungen für besondere Wohnformen auseinanderzusetzen.

Im Sozial- und Bauordnungsrecht wird der Begriff Wohnung hingegen deutlich differenzierter betrachtet. Nach den speziellen Regelungen für die Leistungen der Eingliederungshilfe in SGB IX und nach den Landesbauordnungen fallen besondere Wohnformen gerade nicht unter die Begrifflichkeit einer Wohnung. Bewohnerinnen und Bewohner der besonderen Wohnformen gelten aus unterschiedlichen Gründen und nicht zuletzt nach Verbraucherschutzrecht als besonders schutzwürdig. Darüber hinaus finden sich zahlreichreiche Belege für die Differenzierung in Qualitäts- und Sicherheitsvorschriften der Länder und des Bundes. Die pauschale Kategorisierung als „Wohnung“ steht im Gegensatz zu allen spezialgesetzlichen Regelungen und hat einen Systembruch zur Folge. Abgaberechtlich sieht der Gesetzgeber in § 68 Nr. 1 a) AO zudem für die meisten Fälle bereits eine steuerliche Privilegierung vor, was die Finanzverwaltung mit ihrer Regelung im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO zu § 68 Nr. 1 AO) ausdrücklich anerkennt.

Lösungsvorschlag der teleologischen Reduktion

Obschon die Voraussetzungen der Steuerbefreiungen nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) i. V. m. 5 Abs. 1 Nr. 3 GrStG und 7 GrStG für besondere Wohnformen grundsätzlich erfüllt sind, werden sie vom Absolutismus des Ausschlusstatbestandes nach § 5 Abs. 2 GrStG erfasst. Damit würden besondere Wohnformen in vielen Konstellationen von der Befreiung ausgeschlossen. Dieses Ergebnis ist nicht nachvollziehbar, weil die Kosten in nahezu allen Fällen dem Sozialhilfeträge obliegen. Wenn schon gemeinnützige Servicegesellschaften Grundsteuerbefreiungen beanspruchen können, so sollte dies erst recht operativ tätigen Eingliederungshilfeträgern möglich sein!

Der absolute Ausschlusstatbestand von der Grundsteuerbefreiung ist hinsichtlich besonderer Wohnformen teleologisch zu reduzieren. - Johannes Freisfeld (Experte für Grundsteuer) 

Um dem Gesetzeszweck zu entsprechen, ist u. E. eine teleologische Reduktion des absoluten Ausschlusses in § 5 Abs. 2 GrStG vorzunehmen. Ausweislich der Gesetzesbegründung und der Sitzungsprotokolle hat sich der Reformgesetzgeber mit den Besonderheiten der besonderen Wohnformen nach dem BTHG für die Grundsteuer weder i. R. d. Befreiungen noch i. R. d. Vergünstigungen nach § 15 GrStG n. F. auseinandergesetzt. Die maßgeblichen Regelungen des BTHG gelten erst seit dem 01.01.2020. Die Grundsteuer-Reform wurde aber bereits am 27.06.2019 verabschiedet. Die Abschlagsregelung im GrStG ist nicht einschlägig, zeigt aber, dass der Reformgesetzgeber für solche Konstellationen, die offensichtlich waren und mit denen er sich befasst hatte, entsprechende Ermäßigungen vorgesehen hat, was für die besonderen Wohnformen nach dem BTHG aber gänzlich fehlt. 

FAZIT

Die Grundsteuerbefreiung für besondere Wohnformen wäre bei rein technischer Betrachtung nach dem Bewertungsgesetz bereits in der Vergangenheit ein relevantes Thema und rückt aktuell aufgrund der unmittelbar bevorstehenden Umsetzung der Grundsteuerreform besonders in den Fokus. Im Rahmen der neuen Feststellung der Grundsteuerwerte sollte die Finanzverwaltung auf das Erfordernis der teleologischen Reduktion bei der Festsetzung der Grundsteuer aufmerksam gemacht werden, um eine Grundsteuerbefreiung für besondere Wohnformen zu erlangen.

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