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KdöR – Risiken der Unternehmereigenschaft

Steuerliche Auswirkungen defizitärer wirtschaftlicher Tätigkeiten

Die steuerliche Behandlung von Körperschaften des öffentlichen Rechts (KdöR) steht seit Jahren hinsichtlich der Änderungen in der Umsatzsteuer (§ 2b UStG) im Fokus. Die stetige Verlängerung der Übergangszeiträume (aktuell bis zum 31.12.2024) zur Anwendung des neuen Rechts haben für viel Verunsicherung gesorgt.

Durch zwei aktuelle Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus März dieses Jahres wird die Gesamtgemengelage leider nicht besser. Denn bei einer defizitären wirtschaftlichen Tätigkeit kann die Unternehmereigenschaft der KdöR in Frage stehen. Dies kann sich negativ auf den Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen auswirken und bei Vorsteuerüberhängen Löcher in den Finanzhaushalt reißen.

Rechtsprechung des EuGH „Gmina O. und Gmina L.“

Beide Verfahren betrafen polnische Gemeinden, die Leistungen gegenüber Dritten zu erheblich unter den Marktpreisen liegenden Entgelten bzw. sogar unentgeltlich erbracht haben. Beide Gemeinden haben für ihre Leistungen erhebliche öffentliche Zuschüsse erhalten.

In beiden Verfahren hat der EuGH für die Anerkennung als Steuerpflichtiger im umsatzsteuerlichen Sinne vorausgesetzt, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt. Eine solche liegt nur dann vor, wenn sie nachhaltig ist und gegen Entgelt ausgeübt wird. Eine Nachhaltigkeit konnte der EuGH indes nicht erkennen, da die jeweiligen Gemeinden ihre Leistungen nur einmalig erbracht hatten und das Entgelt weit unter den marktüblichen Konditionen (Fremdvergleich) lag.

Die vorbezeichnete Rechtsprechung des EuGH überrascht nicht, da bereits in der Rechtssache Borsele (EuGH v. 12.5.2016, C-520/14) eine unternehmerische Tätigkeit bei der Schülerbeförderung nicht angenommen wurde, soweit die Gemeinde nur einen kleinen Teil ihrer Kosten (3 %) über Beiträge und den Rest aus öffentlichen Mitteln deckt.

Die bundesdeutsche Rechtsprechung ist zu diesem Themenkomplex noch uneinheitlich. Aus zwei Entscheidungen des V. und XI. Senats beim Bundesfinanzhof ist zumindest ein Wertungswiderspruch zu erkennen. In beiden Verfahren war die Unternehmereigenschaft einer Gemeinde im Rahmen einer Sporthallenüberlassung gegen geringes, nicht kostendeckendes, Entgelt streitig.

Während der V. Senat die Unternehmereigenschaft der Gemeinde angezweifelt hat, sah der XI. Senat die nicht kostendeckende Vermietung der Sporthalle als marktüblich an und hatte insoweit die Unternehmereigenschaft der Gemeinde bestätigt.

Folgen für die Praxis

Die Finanzverwaltung verfolgt in der Besteuerungspraxis bei KdöR bis dato einen eher gemäßigten Ton. Dennoch sollte der Bogen nicht überspannt und insbesondere bei hohen Vorsteuerüberhängen genau geprüft werden, ob die dargestellte Rechtsprechung auf den konkreten Einzelfall anwendbar ist und somit die Steuererstattungen im Risiko stehen.

Es wird davon auszugehen sein, dass sich die Rechtsprechung der deutschen Finanzgerichtsbarkeit in vergleichbar gelagerten Fällen der Rechtsprechung des EuGH anschließen wird. Dies könnte im positiven Sinne bedeuten, dass defizitäre wirtschaftliche Tätigkeiten einer KdöR keine umsatzsteuerlichen Pflichten auslösen. Andererseits kann dies jedoch auch negativen Folgen mit Blick auf den Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen nach sich ziehen. Dem Grunde nach sind die Auswirkungen der Rechtsprechung auch auf die Kirche als KdöR anzuwenden.

Insgesamt ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die dargestellten Entscheidungen des EuGH unter Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls ergangen sind. Soweit Leistungen nicht einmalig, sondern dauerhaft erbracht werden und/oder die Kostenzuschüsse im Vorhinein feststehen, wird ggf. – ungeachtet der Defiziterwirtschaftung – eine Unternehmereigenschaft angenommen werden können.

Erfahren Sie auch gerne mehr zum Thema defizitäre Tätigkeiten über unseren Beitrag vom 14 . Juni 2023 Verlust der Unternehmereigenschaft bei defizitären Tätigkeiten. Und falls Sie hierzu weitere Fragen haben, sprechen Sie uns gerne an. Jetzt Kontakt aufnehmen!