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Verlust der Unternehmereigenschaft bei defizitären Tätigkeiten?

EuGH-Urteil

Der EuGH urteilte in zwei Streitfällen, dass eine umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft unter anderem an das Vorliegen eines Leistungsaustausches und die wirtschaftliche Tätigkeit geknüpft ist. Insbesondere bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts werden Leistungen oft unter dem gängigen Marktpreis angeboten oder durch Zuschüsse finanziert, sodass eine defizitäre Tätigkeit durch fehlende Kostendeckung entsteht.

Zwar bejahte der EuGH in den vorgenannten Fällen den Leistungsaustausch, jedoch setzt er bei der wirtschaftlichen Tätigkeit höhere Maßstäbe fest, sodass eine Gesamtabwägung vorgenommen werden muss, ob eine Nachhaltigkeit durch die defizitäre Tätigkeit geschaffen werden kann.

Hintergrund

In seinen Urteilen vom 30. März 2023 (C-612/21 und C-616/21) beschäftigte sich der EuGH unter anderem mit der Frage des Vorliegens der umsatzsteuerlich relevanten Unternehmereigenschaft. Die Unternehmereigenschaft muss für eine steuerbare Leistung und die damit im Zusammenhang stehende Berechtigung eines Vorsteuerabzugs gegeben sein.

Damit die Anerkennung als steuerpflichtiger Unternehmer bejahrt werden kann, muss erstens eine gegen Entgelt vorgenommene Lieferung oder Dienstleistung vorliegen und zweitens im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausgeübt worden sein. Eine Tätigkeit wird im Allgemeinen als wirtschaftlich angesehen, wenn sie nachhaltig ist und gegen Entgelt ausgeübt wird, das derjenige erhält, der die Leistung erbringt. In diesem Zusammenhang spielen die Zuschüsse von dritter Seite sowie auch ein Entgelt unter dem Marktpreis eine bedeutende Rolle. Insbesondere bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts werden Leistungen oft unter dem gängigen Marktpreis angeboten oder durch Zuschüsse finanziert, sodass eine defizitäre Tätigkeit durch fehlende Kostendeckung entstehen könnte.

Diese defizitäre Tätigkeit diskutierte der EUGH in seinen beiden Urteilen.

Urteil vom 30. März 2023 (C-612/21)

Eine polnische Gemeinde vermietete für nur 25 % der förderfähigen Kosten Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien an Grundstückseigentümer. 75 % der Kosten wurden durch Zuschüsse von dritter Seite gefördert. Die verbleibenden nicht förderfähigen Kosten übernahm die Gemeinde selbst. Zwar lag laut dem EuGH ein Leistungsaustausch vor, jedoch verneinte er die wirtschaftliche Tätigkeit, da nach Gesamtabwägung die Gemeinde keiner nachhaltigen Tätigkeit nachgegangen war. Dementsprechend wurde auch die Unternehmereigenschaft durch den EUGH verneint.

Urteil vom 30. März 2023 (C-616/21)

Auch in diesem Streitfall urteile der EUGH in Bezug auf die wirtschaftliche Tätigkeit. Die polnische Gemeinde erbrachte gegenüber Grundstückseigentümern die kostenlose Beseitigung von Asbest. Die Finanzierung erfolgte aus den Zuschüssen eines Umweltfonds. Zwar lag auch hier wieder ein Leistungsaustauch durch Zuschüsse vor, jedoch verneinte der EUGH die wirtschaftliche Tätigkeit, da von keiner Nachhaltigkeit ausgegangen werden kann, insbesondere im Hinblick darauf, dass hier nur eine einmalige defizitäre Tätigkeit vorgenommen wurde.

Handlungsempfehlung

Es bleibt abzuwarten, wie der BFH die beiden Einzelfallentscheidungen auslegt und ob seine Rechtsprechung hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft in Bezug auf die defizitäre Tätigkeit unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit angepasst wird.

Gerade bei defizitären Tätigkeiten kann es sinnvoll sein, vorher in Kontakt mit der Finanzverwaltung bzgl. der umsatzsteuerlichen Würdigung zu treten, um Rechtsicherheit zu gewinnen. Falls Sie hierzu weitere Fragen haben, sprechen Sie uns gerne an. Jetzt Kontakt aufnehmen!

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