Die Einführungen der Pflegestärkungsgesetze (PSG) II und III haben den Trend der Ambulantisierung im Pflegemarkt weiter befeuert. Die Entwicklung im Pflegemarkt weist bereits seit Jahren einen klaren Trend zur Ambulantisierung auf. Der Versorgungsanteil der stationären Pflege ist bundesweit seit 2005 von 30,9% bis 2017 auf 23,6% deutlich gesunken. Trotzdem ist der Versorgungsanteil der ambulanten Pflege seit 2009 mit ca. 24% nahezu unverändert geblieben. Insofern darf in Bezug auf die Ambulantisierung auch nicht übersehen werden, dass die Ausweitung der Angehörigenpflege auch mit einer wachsenden Inanspruchnahme von rund 400.000 Osteuropäerinnen einhergeht, die häufig illegal arbeiten.
Neben Versorgungsengpässen aufgrund fehlender Fachkräfte droht in Deutschland aus einer anderen Richtung eine Entwicklung, die den Pflegenotstand, wie wir ihn heute kennen, noch dramatisch verschärfen könnte. Nach einer Studie der Universität Bremen stehen 185.000 Pflegepersonen, die heute Angehörige zu Hause pflegen, kurz davor, diesen Dienst einzustellen. 6,6 Prozent wollen nur mit mehr Hilfe weiter pflegen, knapp ein Prozent will dies auf keinen Fall länger tun.
Auf der anderen Seite stoßen Menschen mit abweichenden Bedarfslagen an Grenzen – so beispielsweise jüngere Pflegebedürftige, ebenso Schwerkranke, dementiell und generell (geronto-)psychiatrisch Erkrankte, chronisch Kranke in den Spätphasen des Krankheitsverlaufs und Sterbende.
Pflegebedürftige in Pflegegrad 4 werden jedoch zu 56% und in Pflegegrad 5 zu 47% allein durch Angehörige oder mit Unterstützung ambulanter Pflegedienste versorgt. Die ambulante Versorgung ist daher aus Sicht der Pflegebedürftigen nicht in jedem Fall optimal.
Vor dem Hintergrund wachsender Kostenbelastungen der Ambulantisierung werden von den Kostenträgern und der Politik u.a. die Voll- und Teilumwandlung stationärer Einrichtungen in ambulante Wohnformen sowie die Neugründung ambulanter Wohnformen mit stationärem Versorgungsansatz als „ungewollte“ Ambulantisierungsformen auf dem Pflegemarkt identifiziert. Bedarf zur Korrektur von Fehlanreizen zur Schaffung von Angebotsstrukturen wird insbesondere dann gesehen, wenn ein Mehrwert für die Pflegebedürftigen bei neuen Versorgungsformen nicht eindeutig belegbar ist.
Weitere Herausforderungen der Ambulantisierung sind:
- Die demografischen Veränderungen wirken sich auf die Pflegeversicherungen stärker aus als auf die Krankenversicherung.
- Neben Beitragssatzerhöhungen und einer Verbreiterung der Finanzierungsbasis wächst der Druck zum Ausbau der solidarischen Wettbewerbsordnung (Effektivität und Effizienz der Versorgung).
- Zunehmend diskutiert werden auch Überlegungen, ob die Trennung zwischen der ambulanten und stationären Versorgung leistungs-, leistungserbringungs- und ordnungsrechtlich aufgehoben werden sollte.