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Grunderwerbsteuerpflicht bei Zusammenlegung von Kirchengemeinden?

Urteil II R 24/21 des Bundesfinanzhofs vom 10. Mai 2023

Der Grunderwerbsteuer in Deutschland unterliegen grundsätzlich die Übertragungen von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten – sogenannte Rechtsträgerwechsel. Der Besteuerung unterliegen jedoch nicht nur die tatsächlichen Übertragungen von Grundstücken. Der Gesetzgeber geht in manchen Fällen von einem Rechtsträgerwechsel aus, obwohl die tatsächliche Übertragung eines Grundstücks nicht erfolgt ist.

Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) wird ein Rechtsträgerwechsel auch bei Vereinigungen von Anteilen an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften von mehr als 95 % (ab dem 1. Juli 2021: 90 %) fingiert.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob eine Anteilsvereinigung auch dann der Grunderwerbsteuer unterliegt, wenn diese aufgrund der Zusammenlegung von Kirchengemeinden, welche Anteile an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften halten, durch staatliche Anerkennung erfolgt.

Sachverhalt

Zwei Kirchengemeinden mit dem jeweiligen Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts waren mit 80 % und 20 % an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft (GmbH) beteiligt. Das gesamte Vermögen der beiden Kirchengemeinden, wozu auch die Beteiligungen an der GmbH gehörte, wurden durch Errichtungsurkunde auf eine neu gegründete Kirchengemeinde übertragen. Nach Anerkennung mit bischöflichem Dekret erhielt die neue Kirchengemeinde die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Diesen Vorgang sah das Finanzamt als grunderwerbsteuerpflichtig an und erließ daraufhin einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer und im Anschluss einen Grunderwerbsteuerbescheid gegenüber der neu errichteten Kirchengemeinde. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Neuerrichtung der Kirchengemeinde als fiktiver Rechtsträgerwechsel nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG grunderwerbsteuerbar und -pflichtig anzusehen ist.

Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde nach Änderung der Bescheide durch das Finanzamt im Rahmen eines ersten Verfahrens als unbegründet zurückgewiesen. Auch die Klage vor dem Finanzgericht blieb erfolglos, sodass die Rechtssache dem Bundesfinanzhof (BFH) im Rahmen der Revision vorgelegt wurde.

Entscheidung

Im Rahmen der Begründung führten die Richter des BFH aus, dass, sofern zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück gehört, die Vereinigung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % (ab dem 1. Juli 2021: 90 %) der Anteile an dieser Kapitalgesellschaft (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG) der Besteuerung unterliegt. Derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, wird demnach so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen.

Die Anteilsvereinigung vollzieht sich nach den Richtern des BFH zu dem Zeitpunkt, an dem die staatliche Anerkennung gemäß § 6 KathKiGemVbgBek NW (Vereinbarung über die staatliche Mitwirkung bei der Bildung und Veränderung katholischer Kirchengemeinden zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und den Diözesen im Land Nordrhein-Westfalen) wirksam erteilt wird. Dem steht nicht entgegen, dass die Anteilsvereinigung Folge eines innerkirchlichen Umstrukturierungsvorgangs ist. Ein Rechtsvorgang des bürgerlichen oder des öffentlichen Rechts wird nicht voraussetzt. Die Steuerbarkeit knüpft damit nicht an den Rechtsvorgang des Erhalts der Vermögenswerte an, sondern an die Folge der erstmaligen Vereinigung der Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft bei der neu errichteten Kirchengemeinde.

Die Besteuerung verstößt auch nicht gegen das verfassungsrechtlich verankerte kirchliche Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 des Grundgesetzes. Den Kirchen bleibt es – so die Richter des BFH – unbenommen, ihre Angelegenheiten selbst zu organisieren und nach innerkirchlichem Recht Pfarreien zu errichten, aufzuheben und zu ändern. Die Vereinigung, Auflösung und Neuerrichtung von Kirchengemeinden nach Kirchenrecht ist ein rein innerkirchlicher Organisationsakt, womit die Kirche nicht am allgemeinen Rechtsverkehr teilnimmt. Jedoch werden die Vermögenszuordnungen und -änderungen mit staatlicher Anerkennung der neu errichteten Kirchengemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechts auch für den staatlichen Bereich wirksam und unterliegen wie andere Körperschaften des öffentlichen Rechts den staatlichen Regelungen. Dazu gehört auch das Grunderwerbsteuergesetz. Daneben stellt die Besteuerung auch keinen unzulässigen Eingriff in das Vermögen der Religionsgemeinschaft dar.

Fraglich ist, ob in diesem Fall die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG als Grundstücksschenkung unter Lebenden im Sinne des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes (ErbStG) vorliegt. Diese Steuerbefreiung wurde durch die Richter des BFH mangels Freigebigkeit verneint. 

Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 GrEStG, bei der der Erwerb eines Grundstücks durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts von der Besteuerung ausgenommen wird, wenn das Grundstück aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben übergeht, könnte ebenfalls einschlägig sein. Die Steuerbefreiung bezieht sich laut ihrem Wortlaut jedoch ausschließlich auf Grundstücke. Anteile an Kapitalgesellschaften sind – so die Richter des BFH – nicht erfasst.

Der BFH wies aus den genannten Gründen die Revision als unbegründet zurück. Das Finanzamt und das Finanzgericht haben laut BFH zutreffend angenommen, dass die unmittelbare Vereinigung aller Anteile an der grundbesitzenden GmbH in der Hand der Klägerin der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG unterliegt.

Das Urteil des Bundesfinanzhof zeigt, dass bei der Umstrukturierung von Kirchengemeinden unbedingt ein Augenmerk auf die grunderwerbsteuerlichen Auswirkungen zu legen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn Anteile an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften betroffen sind. Dabei sollte die grunderwerbsteuerliche Prüfung möglichst vor der rechtlichen Umsetzung erfolgen, um Gestaltungsspielräume auszuschöpfen und eine Belastung mit Grunderwerbsteuer möglichst zu vermeiden.

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