Zum 1. Januar 2020 hat der deutsche Gesetzgeber die Steuerbefreiung für Kostengemeinschaften nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL in nationales Recht umgesetzt. Nach dieser Vorschrift sind Dienstleistungen von selbständigen Personenzusammenschlüssen (im Sinne einer Kostengemeinschaft) an ihre Mitglieder nach § 4 Nr. 29 UStG steuerfrei, wenn die Mitglieder diese Dienstleistungen unmittelbar zur Ausübung von Tätigkeiten verwenden, die dem Gemeinwohl dienen.
Voraussetzung ist zudem, dass der Zusammenschluss von seinen Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordert und mit der Steuerbefreiung keine Wettbewerbsverzerrungen einhergehen. Das BMF-Schreiben vom 19. Juli 2022 hat inzwischen etwas Klarheit in der Auslegung der Vorschrift geschaffen, bei genauerer Betrachtung bleiben jedoch – wie nachfolgend erörtert - in der praktischen Umsetzung weitere offene Fragen.
Begriff der „Mitglieder“ mit Blick auf die umsatzsteuerliche Organschaft
Für die Inanspruchnahme der Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen der Kostengemeinschaft an ihre Mitglieder muss zwischen diesen ein „mitgliedschaftsähnliches“ Rechtsverhältnis bestehen. Der Begriff der Kostengemeinschaft (Personenzusammenschluss) erfordert, dass sich dabei mindestens zwei Mitglieder zusammenschließen; eine bloße Vereinbarung zur Kostenteilung unter mehreren Unternehmern bzw. Nichtunternehmern (sog. Aufwandpool) genügt nicht.
Auf die Rechtsform des Personenzusammenschlusses kommt es nicht an; Personenzusammenschlüsse können Zusammenschlüsse von natürlichen und/oder juristischen Personen sowie Personenvereinigungen sein. Es kommt auch nicht auf die Bezeichnung der zusammengeschlossenen Personen als Mitglieder an; Mitglieder in diesem Sinne können beispielsweise Gesellschafter, Anteilseigner oder Träger sein.
Als Personenzusammenschlüsse im Sinne des § 4 Nr. 29 UStG kommen insbesondere in Betracht:
- Personen- und Kapitalgesellschaften,
- Genossenschaften,
- Vereine oder
- am Rechtsverkehr teilnehmende Bruchteilsgemeinschaften.
Wenn einzelne Mitglieder bzw. Gesellschafter des Personenzusammenschlusses ihrerseits als Organträger eine umsatzsteuerliche Organschaft begründen, erscheint fraglich, ob die Leistungen des Personenzusammenschlusses auch an die Organ-(Tochter-)Gesellschaften dieser Mitglieder umsatzsteuerbefreit nach § 4 Nr. 29 UStG ausgeführt werden können oder ob diese dafür selbst eine „unmittelbare“ Mitgliedschaft an dem Personenzusammenschlusses begründen müssen.
Organgesellschaften sind – nach den derzeit noch geltenden Regelungen des UStG – grundsätzlich Teil des einheitlichen Unternehmens des Organträgers und insoweit umsatzsteuerlich unselbstständig. Die umsatzsteuerrechtlich gebotene „Einheitsbetrachtung“ könnte dafürsprechen, dass eine unmittelbare Mitgliedschaft der (Tochter-)Organgesellschaften an dem Personenzusammenschluss verzichtbar wäre, das o. g. BMF-Schreiben geht hierauf bisher nicht ein.
Weiterhin offen ist in diesem Zusammenhang auch, ob nicht steuerbare Innenumsätze zwischen einer Organgesellschaft (z. B. Wäschereileistungen) für den Altenheimbetrieb des Organträgers als begünstigte Leistungen der Mitglieder im Sinne des § 4 Nr. 29 UStG gelten, so dass die IT-Kostengemeinschaft IT-Leistungen (auch) an die Organgesellschaft nach § 4 Nr. 29 UStG umsatzsteuerfrei abrechnen darf.
Insbesondere für Konzerngesellschaften im Verbund mit mehreren Organgesellschaften ist eine Antwort auf diese Fragen essenziell. Wie die vertragliche Gestaltung in diesen Fällen aussehen muss, kann unseres Erachtens nur in Abstimmung des Einzelfalls mit der Finanzverwaltung erfolgen.
Genaue Kostenerstattung – Abgrenzung über Kostenstellen
Die genaue Kostenerstattung ist ebenfalls Voraussetzung für die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 29 UStG. Sämtliche Kosten, die der Zusammenschluss im Interesse der Mitglieder trägt, sind umlagefähig; dazu gehören Sach- und Personalkosten sowie externe Finanzierungskosten. Leistungen, die der Personenzusammenschluss für andere als die im Gesetz genannten umsatzsteuerfreien oder steuerpflichtigen Leistungen seiner Mitglieder oder an Dritte (z. B. Leistungen an Nichtmitglieder) erbringt, sind nicht befreit.
Diesbezüglich empfiehlt es sich, im Rechnungswesen der Kostengemeinschaft Vorsorge für eine Abgrenzbarkeit von steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen (z. B. eigene Kostenstellen) zu treffen und mit Blick auf einen Vorsteuerabzug durch geeignete Schlüssel zugleich eine Zuordbarkeit bezogener Leistungen gewährleisten zu können.
Fazit
Für IT-Kooperationen in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft bieten sog. Kostenzusammenschlüsse nach § 4 Nr. 29 UStG unverändert hohes Gestaltungspotential, personalkostenintensive Dienstleistungen ohne Belastung mit Umsatzsteuer auszutauschen.
Beteiligen sich an solchen Zusammenschlüssen Unternehmen, die ihrerseits einen umsatzsteuerlichen Organschaftsverbund begründen und muss die Kostengemeinschaft ihre Leistungen an die Mitglieder sowohl umsatzsteuerfrei wie auch umsatzsteuerpflichtig abrechnen, gilt es diese Fragestellungen frühzeitig im Benehmen mit der Finanzverwaltung zu klären.
Hierbei unterstützen wir Sie selbstverständlich gern. Jetzt Kontakt aufnehmen!