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Veränderungen durch KI

In der Gesundheits- und Sozialwirtschaft

Megatrend – Revolution – Zäsur. Die Begriffe, mit denen die Bedeutung der Künstlichen Intelligenz (KI) umschrieben wird, könnten kaum bedeutungsschwerer sein. Inwieweit diese neuen Technologien in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft bereits zum Einsatz kommen, lesen Sie im folgenden Beitrag.

Was ist KI? 

In die Künstliche Intelligenz (KI) bzw. Artificial Intelligence (AI) werden von der Sozial- und Gesundheitswirtschaft auch hierzulande enorme Erwartungen gesetzt. Noch werden diese Möglichkeiten zu wenig genutzt, doch zukünftig soll Deutschland in Europa zu einem Vorreiter bei der Einführung digitaler Innovationen in das Sozial- und Gesundheitssystem werden. So sollen laut Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) die geplanten Investitionen in KI in Deutschland bis zum Jahr 2030 bei rund 95 Mrd. Euro liegen. Vor allem seit Erscheinen des Chatbots ChatGPT ist KI in aller Munde, aber was versteht man genau darunter? KI ist eine Teildisziplin der Informatik. Sie beschäftigt sich mit der Automatisierung intelligenten Verhaltens sowie dem Maschinellen Lernen (ML). Bis dato existiert keine universelle Definition. So wird KI als Oberbegriff für Anwendungen verwendet, bei denen Maschinen (z. B. Computer oder Roboter) scheinbar menschenähnliche Intelligenzleistungen erbringen. Innerhalb der Disziplin wird häufig zwischen schwacher und starker KI unterschieden. Die schwache KI wird für klar umrissene Einsatzgebiete genutzt, beispielsweise bei der Erkennung von Mustern oder Zeichen. Starke KI umfasst Systeme, die der Intelligenz des Menschen 
ebenbürtig sind oder diese übertreffen.

"Eine optimale Integration in bestehende IT-Systeme sowie in den Arbeitsalltag führt zu einer Steigerung  der Akzeptanz und des 
Nutzens von KI."

Einsatzmöglichkeiten von KI in der Gesundheitswirtschaft

Getrieben durch die digitale Transformation der Gesundheitswirtschaft befindet sich KI auch in der Medizin auf dem Vormarsch. Ob es um die Optimierung der digitalen Patientenreise (von der Prävention über Diagnostik und Therapie bis hin zur Nachsorge), um klinische Entscheidungsunterstützung, roboterassistierte Chirurgie, Bildgebung und Befundung oder das Ressourcen-Management im Krankenhaus geht, die Einsatzmöglichkeiten sind mannigfaltig. Auch prädiktive Analysen, die der Vorhersage auf Basis neuer und historischer Daten dienen, werden durch KI vorangetrieben.

Vergleichsweise einfache Hilfestellungen durch KI können im Rahmen der Plausibilitätsprüfung von Medikamenten erfolgen. Kann ein Medikament im System hinterlegte Allergien auslösen, passt ein potenziell besonders gefährliches Medikament nicht zu den Diagnosen oder liegen gravierende Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten vor? In solchen Fällen kann ein Warnhinweis eine lebensrettende Hilfe sein.

Im Bereich der prädiktiven Medizin können KI-Systeme durch die Analyse mehrerer Tausend Krankengeschichten beispielsweise lernen, Krankheits- und Therapieverläufe individuell vorherzusagen. Aus genetischen Analysen und Bilddaten können sie die Aggressivität eines Tumors berechnen und vorhersagen, ob eine Strahlen- oder Chemotherapie erfolgversprechender ist.

Auch im Bereich der medizinischen und klinischen Dokumentation kommt KI zum Einsatz. So entlastet Spracherkennung bei der Dokumentation von Leistungen direkt im IT-System ärztliches Fachpersonal, Pflege und Funktionsdienste. Zudem ist es bereits möglich, dass schon während der Spracheingabe in Echtzeit automatisch eine Rückmeldung zu den bisherigen Einträgen erfolgt, um beispielsweise Dokumentationslücken zu schließen.

KI-gestützte Technologien haben ebenfalls einen starken Einfluss auf die Befundung sowie Diagnoseunterstützung in der Radiologie. Ein Anwendungsbeispiel findet sich in der Thoraxradiografie: Gerade in diesem Fall können Effizienz und Validität der Diagnosestellung erhöht werden, wenn durch den gleichzeitigen Einsatz multipler KI-Algorithmen eine umfängliche Befundung von Studien unterstützt wird.

Darüber hinaus unterstützt KI bei der Optimierung der Abläufe im Operationssaal. So können Operierende, die anspruchsvolle Eingriffe unter dem Mikroskop durchführen, per Sprach- oder Gestensteuerung Informationen anfordern, die dann im Okular des Operationsmikroskops erscheinen. Auch die roboterassistierte Chirurgie ist längst gelebte Praxis. Chirurg:innen steht dabei ein digitaler roboterbasierter Assistent zur Seite, der während der Operation beim Sehen, Greifen und Präparieren unterstützt,und zwar minimalinvasiv und ohne menschliches Zittern der Hand.

Das große Potenzial für KI in der Pflege liegt sicher in der Entlastung von Dokumentations-, Administrations- und Routineaufgaben. Gerade Entscheidungsunterstützung und tastaturlose Pflegedokumentation können die Pflege nicht nur signifikant entlasten, sondern auch fachlich völlig verändern. Durch die zunehmend sektorübergreifende Vernetzung zwischen stationären und ambulanten Einrichtungen, etwa durch Portallösungen, können auch Betreuungs- und Pflegeplätze anforderungsspezifischer und schneller gefunden werden. Durch derartige prädiktive Technologien wird die Pflege Patient:innen viel stärker proaktiv und präventiv unterstützen können und sich mit dem technologischen Fortschritt on der heutigen, reaktiven Versorgung entfernen.Neben den klinischen Anwendungsgebieten kommt KI im administrativen Krankenhausmanagement zum Einsatz. Entsprechende Systeme optimieren den Kodierprozess, das Medizin-Controlling, die Patienten- und Fallsteuerung sowie das Ressourcen-Management. Damit hat ein Krankenhaus den Prozess von der Aufnahme über die Entlassung bis zur Abrechnung im Überblick, nicht nur aus einer ökonomischen, sondern auch aus einer qualitativen Sicht.

Auf Patientenseite unterstützen intelligente Assistenzsysteme Menschen mit eingeschränkter Mobilität – zum Beispiel nach einem Schlaganfall – bedarfsgerecht bei der Bewegungstherapie, d. h. so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig („Assist-as-needed“).

"Die Einbindung von KI-Technologie in die Kern- und Unterstützungsprozesse wird für Unternehmen ein Schlüssel sein, um 
Fachkräftemangel und Arbeitsverdichtung zu begegnen." 

Einsatzmöglichkeiten von KI in der Sozialwirtschaft

Während in der Gesundheitswirtschaft bereits viele konkrete Anwendungen für KI sich entwickeln und eingesetzt werden, hat die Technologie in der Sozialwirtschaft bislang weniger konkrete Anwendungsfälle gefunden.

In der Altenhilfe und Pflege wird zum Beispiel Pflegerobotern ein großes Potenzial zugesprochen, Pflegekräfte zu entlasten und die Selbstständigkeit und Lebensqualität von Bewohner:innen zu erhöhen. Erste Pilotprojekte wurden bereits initiiert. Ausgestattet mit Kameras, Mikrofonen und Sensoren, erfassen die Roboter die gesamte Umgebung und können den aktuellen emotionalen Zustand von Bewohner:innen einschätzen.

Es müssen aber nicht gleich Roboter sein. Digitale Pflege-Assistenten (Ambient Assisted Living) können mit Hilfe von Sensorik dafür sorgen, dass ältere 
Menschen länger in ihren eigenen vier Wänden leben können. Diese Systeme geben zum Beispiel Alarm, falls der Mensch stürzt, und messen zum Teil 
auch den Bewegungsgrad oder die Öffnung des Kühlschranks. Darüber hinaus erfassen die Sensoren am Körper von Pflegebedürftigen pflegerelevante Daten und werten diese mit Hilfe von KI aus. Im laufenden Betrieb behält der Digitale Pflege-Assistent die jeweiligen Sensoren kontinuierlich im Blick und benachrichtigt bei Bedarf die Pflegenden. Damit können diese individueller handeln und unnötigen Aufwand vermeiden, vor allem im Bereich der zeitaufwendigen Dokumentation. Weitere Einsatzmöglichkeiten finden sich bei der pflegerischen Anamnese, der Inkontinenzversorgung, der Dekubitus-Prophylaxe oder beim Notfallmanagement. In der Kinder- und Jugendhilfe wird ein wissensbasiertes System eingesetzt, das auf Basis verschiedener Einflussfaktoren einen Risikoindex bildet und damit Sozialarbeiter:innen dabei unterstützt, Kindeswohlgefährdung zu erkennen. Ab einem 
bestimmten Wert wird eine Familie durch eine Fachkraft genauer beobachtet.

Ein digitales Assistenzsystem kann die Betreuung von Kindern und Jugendlichen verbessern. Es soll zum Beispiel auf Basis von Datenanalysen Vorschläge für die Beschäftigung mit den Kindern und Jugendlichen machen.

Chatbots in der Online-Beratung unterstützen Jugendliche, die eine Beratungsstelle suchen oder Hilfe benötigen. Die KI sorgt dafür, dass die richtigenHilfsangebote gemacht oder passende Informationen vorgeschlagen werden. In einem weiteren Schritt kann ein Chatbot durch das Stellen von Reflexionsfragen einenJugendlichen unterstützen. Darüber hinaus wird auch hier eine Einschätzung der Situation anhand der anfangs eingegebenen Daten vorgenommen und im Akutfall eine Beratungsstelle vor Ort empfohlen. In der Suchthilfe lernt ein neuronales Netz anhand von CT-Scans die Identifikation von Alkoholismus. 

Die Genauigkeit dafür liegt bei immerhin 97 %. Smartphone- und Smartwatch-Applikationen mit schwacher KI werden in Frühstadien einer Sucht eingesetzt. Diese können sowohl von Klient:innen zum Selbstmanagement als auch von Behandelnden zum Monitoring oder zur Diagnostik eingesetzt werden.

Voraussetzungen für den Einsatz von KI

Für einen flächendeckenden Einsatz von KI-Anwendungen in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft 
sind gute Modelle (Algorithmen bzw. künstliche neuronale Netzwerke), eine ausreichende Rechenkapazität sowie große und ausreichende Datenmengen unabingbar. Die Herausforderung besteht dabei in der optimalen Integration in die bestehenden IT-Systeme sowie in den Arbeitsalltag der Anwender:innen. Dies zusammen führt zur Steigerung der Akzeptanz und des Nutzens von KI. 

FAZIT 

KI wird künftig mehr denn je dazu beitragen, die Gesundheit der Menschen zu stärken, die Versorgung in Pflege und Medizin zu verbessern, die 
Pflege- und Versorgungsqualität zu erhöhen sowie das pflegerische und medizinische Personal zu entlasten. Noch werden die Möglichkeiten der KI zu 
wenig genutzt; die Vorbehalte von Entscheider:innen sind häufig zu groß. Die Entwicklung muss umsichtig gestaltet und vorangetrieben werden, auch um den Anforderungen des Datenschutzes und der IT-Sicherheit zu genügen. Umso wichtiger ist es, bereits frühzeitig individuelle Strategien für den Einsatz von KI zu entwickeln und deren vielfältige Potenziale zu nutzen.

Dieser Artikel stammt aus unserem Mandantenmagazin Curacontact, das 4 x im Jahr aktuelle Themen für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft, für Öffentlichen Sektor und Kirche aufbereitet. Interesse? Jetzt kostenlos abonnieren!

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