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BVerfG: Steuerzinsen sind verfassungswidrig

6% Steuerzinsen ab dem Jahr 2014 "realitätsfern"

Historie und steuerrechtliche Grundlage

Nach § 233a AO werden Steuererstattungen und Steuernachforderungen, sowohl zugunsten als auch zuungunsten gemeinnütziger Körperschaften vom Finanzamt verzinst, wenn Steuererklärungen zu spät abgegeben oder veranlagt werden. Zweck der Verzinsung von Steuernachforderungen ist es einen möglichen Zinsvorteil (z.B. durch Verzinsung auf dem Festgeldkonto), der sich aus einer verspäteten Steuerzahlung ergibt, auszugleichen. Der dafür von der Finanzverwaltung herangezogene monatliche Zinssatz von 0,5% wurde zuletzt im Jahr 1990 festgelegt. Trotz vergangener Entwicklungen rund um die Finanzkrise im Jahr 2008 und das damit einhergehende Niedrigzinsniveau, ist seitens des Gesetzgebers keine Anpassung erfolgt.

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Das BVerfG hat mit der Entscheidung vom 18. August 2021 den monatlich festen Zinssatz von 0,5% für verfassungswidrig erklärt. Die Entscheidung gilt umfassend für alle Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014. Der Gesetzgeber habe sich im Jahr 1990 bei der Bestimmung des Zinssatzes vor allem an dem damals herrschenden Basiszinssatz (Diskontsatz) orientiert. Dieser ist jedoch seit der Finanzkrise im Jahr 2008 rapide gesunken und liegt seit Januar 2013 sogar im negativen Bereich. Auch weil das Niedrigzinsniveau sich verfestigt hat und der Zinsvorteil durch den erhöhten Zinssatz von 0,5% nicht mehr realitätsnah abgebildet werden kann, sieht das BVerfG den von der Finanzverwaltung angewandten Verspätungszins als nicht mehr angemessen an.

Folgen für die Praxis

Wie sind die gegenüber gemeinnützigen Körperschaften ab dem 1. Januar 2014 festgesetzten Zinsen rückwirkend zu behandeln?

Grundsätzlich ist der Gesetzgeber dazu verpflichtet auch rückwirkend eine der Verfassung entsprechende Rechtslage herzustellen. Für die Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 hätte somit eine Korrektur der noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheide gemeinnütziger Körperschaften zu erfolgen. Das BVerfG sieht dafür jedoch keine Notwendigkeit und begründet dies unter anderem mit einer Gefährdung für eine verlässliche Finanz- und Haushaltsplanung besonders auf Ebene der Städte und Gemeinden. Der monatliche Zins von 0,5% auf Steuererstattungen und Steuernachzahlungen gemeinnütziger Körperschaften für die Verzinsungszeiträume 2014 bis 2018 bleibt somit grundsätzlich anzuwenden.

Anderes gilt für die Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019. Für diese wird voraussichtlich ein „neuer“ Zinssatz anzuwenden sein, der alle noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheide auch rückwirkend erfasst.

Wie hoch wird der „neue“ Zinssatz für Steuererstattungen und Steuernachforderungen sein?

Mit Frist zum 31. Juli 2022 hat der Gesetzgeber eine entsprechende Neuregelung zu schaffen. Im Urteil des BVerfG wird ein fester Zinssatz aufgrund seiner Praktikabilität für die Verwaltung als sachgerecht erachtet. Eine angemessene Zinshöhe wird hingegen nicht vorgeschrieben. Sicher ist, dass sich der Gesetzgeber an dem aktuellen Niedrigzinsniveau orientieren muss und somit eine deutliche Zinssenkung zu erwarten ist. 

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