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EU-Whistleblowing-Richtlinie

Schutz für Verstöße gegen das Unionsrecht

Am 23. Oktober 2019 wurde die Richtlinie (EU) 2019/1937 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden vom Rat der Europäischen Union verabschiedet und am 27. November 2019 im Amtsblatt der EU veröffentlicht, welche Deutschland bis zum 17. Dezember 2021 in nationales Recht umsetzen muss.

Hierbei gibt die Richtlinie lediglich Mindeststandards vor und lässt es den einzelnen Mitgliedstaaten offen, ob der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeweitet wird.

So soll im Rahmen dieser Richtlinie künftig zum einen Hinweisgebern (Whistleblowern), die Verstöße gegen EU-Recht melden wollen, mehr Schutz gewährt werden und zudem öffentliche und private Organisationen und Behörden dazu verpflichtet, sichere Kanäle für die Meldung von Missständen einzurichten.

Eine Umsetzung in Deutschland erfolgte bisher noch nicht; ein Gesetzesentwurf der großen Koalition scheiterte an Unstimmigkeiten darüber, welche Art von Verstößen in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen soll.

Trotz dessen ist es für Unternehmen bedeutsam, sich einen Überblick über die aus der Richtlinie folgenden Compliance-Anforderungen zu verschaffen und den Hinweisgeberschutz umzusetzen.

Wer ist betroffen?

Von der Richtlinie tangiert sind kleine und große Unternehmen ab fünfzig Mitarbeitern, Einrichtungen des öffentlichen Sektors, Behörden sowie Gemeinden ab 10.000 Einwohnern. Diese müssen EU-weit künftig sichere interne Meldekanäle bereitstellen.

Für die Unternehmen ab 250 Mitarbeitern gilt diese Pflicht bereits Ende 2021, für Unternehmen zwischen 50 und 250 Mitarbeitern gibt es eine Übergangsfrist von weiteren zwei Jahren.

„Whistleblowing“ ist hierbei insbesondere eine Aufgabe für Personalabteilungen, da die Richtlinie an den Begriff des Beschäftigten anknüpft und davon ausgeht, dass es ausschließlich Mitarbeiter sind, die es entweder als Hinweisgeber oder als zu Unrecht Beschuldigte zu schützen gilt. Hierbei bewirken die Beweislastregelungen der Richtlinie, dass sämtliche Personalentscheidungen zu dokumentieren sind, um spätere Nachteile zu vermeiden und auch die Umsetzung der Implementierung des Meldesystems wird überwiegend den Personalbereich betreffen, insbesondere dort, wo die betriebliche Mitbestimmung beachtet werden muss. Und auch sonst müssen arbeitsrechtliche Grundsätze wie Persönlichkeitsschutz, Gleichbehandlung, Diskriminierungsschutz ebenso wie Beschäftigtendatenschutz beachtet werden.

Pflicht zur Errichtung interner und externer Meldewege

Die Richtlinie sieht interne und externe Meldewege vor, wobei lediglich für den Weg der Öffentlichkeit, so z.B. Presse oder soziale Medien, Einschränkungen gelten (ultima ratio).

Unternehmen mit 50 Arbeitnehmern oder mehr müssen allerdings ein internes Meldesystem einrichten. Hierbei enthält die Richtlinie zahlreiche Mindestvorgaben, insbesondere im Rahmen des Schutzes der Vertraulichkeit und des Datenschutzes, sowie Vorgaben zum zeitlichen Ablauf der Behandlung einer Beschwerde.

Hinsichtlich des externen Systems sind die Mitgliedstaaten zur Errichtung einer zuständigen Behörde verpflichtet.

Persönlicher Anwendungsbereich

Grundsätzlich schützt die Richtlinie im Hinblick auf den persönlichen Anwendungsbereich alle Personen, die in einer „arbeitsbezogenen Verbindung“ mit einem Unternehmen stehen. Dies sind nicht nur aktive und ehemalige Arbeitnehmer, sondern hierunter fallen auch atypische Beschäftigungsverhältnisse, so z.B. Leiharbeitnehmer, Selbständige, Organmitglieder, Aktionäre des Unternehmens, Bewerber, freiwillige Mitarbeiter, Praktikanten, Subunternehmer und sogar Lieferanten. Der Hinweisschutz gilt sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Bereich.

Sachlicher Anwendungsbereich

Im Hinblick auf den sachlichen Anwendungsbereich erfasst die Richtlinie nur Hinweise auf Sachverhalte, die EU-Recht betreffen. Ob diese sich auf Rechtsverstöße in anderen Bereichen erstrecken kann, ist die in Deutschland umstrittenste Frage und es wird genau zu beobachten sein, wie die Umsetzung in Deutschland erfolgt.

Schutz der EU-Whistleblowing-Richtlinie

Kern der Richtlinie ist der Schutz gutgläubiger Hinweisgeber wobei das Motiv keine Rolle spielt; nicht geschützt sind nur wissentliche Falschmeldungen. Wichtig ist das Prinzip der Beweislastumkehr zulasten der Unternehmen. Diese besagt, dass nach einem Hinweis eine Vermutung dafürspricht, dass etwaige spätere Benachteiligungen auf diesem Hinweis beruhen. Im Streitfall ist es Aufgabe des Arbeitgebers, diese Vermutung zu widerlegen, andernfalls kann der Arbeitnehmer gegebenenfalls Schadensersatz verlangen.

Aufgrund der daraus resultierenden Missbrauchsgefahr hat der Arbeitgeber alle eingehenden Hinweise sorgfältig zu dokumentieren und ebenso alle Benachteiligungen der Hinweisgeber, die sorgfältig zu begründen sind. Betroffen sind jede Art von Personalentscheidungen, so z.B. Kündigungen, Beförderungen, Entscheidungen über Bonuszahlungen und viele mehr.

Die Mitgliedstaaten sollen „wirksame, angemessene und abschreckende“ Sanktionen für natürliche und juristische Personen festlegen, die das Melden etwaiger Verstöße verhindern oder zu verhindern versuchen, Repressalien oder Benachteiligungen gegen geschützte Personen verhängen oder die Identität des Hinweisgebers unberechtigt preisgeben.

Betriebliche Mitbestimmung/Interne Ermittlung

Dem zuständigen Betriebsrat steht in vielfacher Hinsicht ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung des Hinweisgeberschutzes zu, sowohl in der technischen Umsetzung eines internen Meldesystems als auch bei der Beachtung datenschutzrechtlicher Regelungen und der Persönlichkeitsrechte aller Beteiligten. Insbesondere die Regelung interner Verantwortlichkeiten, wenn das Meldesystem intern betrieben werden soll, sowie der Ablauf interner Ermittlungsverfahren sind damit verknüpft.

Direkte Wirkung von Teilen der Richtlinie und Handlungsbedarf für Unternehmen?

Nach der bisherigen Rechtslage besteht in Deutschland kein besonderer gesetzlicher Schutz für sog. Whistleblower und auch die Gerichte haben bisher eher uneinheitlich und auch nicht immer zum Schutz von Hinweisgebern entschieden.

Prinzipiell entfaltet die Richtlinie vor ihrer nationalen Umsetzung keine Rechtswirkungen in dem Rechtsverhältnis zwischen dem Einzelnen und dem Staat.

Es kann ausnahmsweise etwas Anderes gelten, wenn

  1. Die Richtlinie trotz Fristablaufs nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist und
  2. Von ihrem Inhalt her unbedingt und hinreichend bestimmt ist, um im Einzelfall angewendet zu werden.

Somit ist es möglich, dass sich Einzelne gegenüber dem Staat vor nationalen Behörden und Gerichten auf für sie begünstigende Vorschriften berufen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass dem Mitgliedstaat kein Vorteil aus seinem Säumnis gegenüber dem von der Richtlinie Begünstigten erwachsen soll.

Zwischen Privaten, also in diesem Fall zwischen Arbeitgeber und Hinweisgeber, soll dies aber nicht gelten, da von dem Einzelnen solche schwierigen Überlegungen, ob sich die Richtlinie nach ihrem Inhalt auch für eine unmittelbare Anwendbarkeit eignet, nicht erwartet werden können.

Aus arbeitsrechtlicher Sicht enthält die Richtlinie zahlreiche Regelungen, die noch der Konkretisierung durch den deutschen Gesetzgeber bedürfen, so z.B. die mögliche Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs oder die Festlegung der Sanktionen. Allerdings ist die Richtlinie an vielen Stellen auch hinreichend bestimmt, so dass sich hieraus schon jetzt ein Handlungsbedarf für Unternehmen ergibt, gerade wenn man bedenkt, dass lediglich der sachliche Anwendungsbereich des schon einmal eingebrachten Entwurfs umstritten war.

Denn bereits vor der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten besteht die Möglichkeit, dass sich die Handhabung des nationalen Rechts durch die Arbeitsgerichte im Wege der europarechtskonformen Auslegung vor dem Hintergrund der EU-Whistleblower Richtlinie ändert.

Prinzipiell entfaltet die Richtlinie vor ihrer nationalen Umsetzung zwar keine Rechtswirkungen in dem Rechtsverhältnis zwischen dem Einzelnen und dem Staat. Es kann aber ausnahmsweise etwas Anderes gelten, wenn die Richtlinie trotz Fristablaufs nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist und sie ihrem Inhalt her unbedingt und hinreichend bestimmt ist, um im Einzelfall angewendet zu werden.

Somit ist es möglich, dass sich Einzelne gegenüber dem Staat vor nationalen Behörden und Gerichten auf für sie begünstigende Vorschriften berufen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass dem Mitgliedstaat kein Vorteil aus seinem Säumnis gegenüber dem von der Richtlinie Begünstigten erwachsen soll.

Auch können die Arbeitsgerichte schon jetzt bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Grundsatz des effet utile die entsprechenden Grundlagen des deutschen Rechts europarechtskonform auslegen.

Gerade in Deutschland fehlen bisher Regelungen zum Hinweisgeberschutz und es liegt daher nahe, die Grundprinzipien der Richtlinie anzuwenden (Persönlichkeitsschutz, Benachteiligung hinweisgebender Arbeitnehmer). So besteht derzeit noch keine Verpflichtung zur Einrichtung eines internen Meldesystems, jedoch muss der Schutz eines gutgläubigen Hinweisgebers gewährleistet sein; dies gilt auch unabhängig von der Unternehmensgröße.

Alternativ besteht auch die grundsätzliche Möglichkeit, dass sich die Mitgliedstaaten bei einer fehlerhaften bzw. nicht fristgerechten Umsetzung Ansprüchen unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung aussetzen.

Rechtsfolgen und Rat für die Praxis

Insbesondere Unternehmen, die bisher keine Meldekanäle eingerichtet haben, dürfte die Pflicht zur Errichtung interner Meldekanäle vor gewisse Herausforderungen stellen. Aber auch Unternehmen, die diese Kanäle bereits bieten, müssen überprüfen, wo Anpassungsbedarf besteht. Auch müssen Mitarbeiter über die Einführung des Hinweisgebersystems informiert werden und dieses leicht zugänglich sein. Mitarbeiter, die Hinweise entgegennehmen, müssen im vertrauensvollen Umgang mit solchen Meldungen geschult werden. Zudem bedarf es der Ergreifung von Folgemaßnahmen beim Eingang einer Meldung, in welche alle Beteiligten mit einbezogen werden müssen. Hierbei gilt die zwingende Frist von einer Woche zur Bestätigung des Eingangs der Meldung und die Rückmeldefrist von drei Monaten. Aufgrund der Beweislastumkehr ist eine gründliche Dokumentation unerlässlich, da die Möglichkeit besteht, dass Arbeitnehmer sich durch einen rechtzeitigen möglicherweise nicht widerlegbaren „Whistleblowing“-Bericht zusätzlichen Schutz bzw. eine bessere Ausgangsposition verschaffen und nachgewiesen werden muss, dass die Disziplinarmaßnahmen nicht mit dem Whistleblowing zusammenhängen.

Es ist ratsam es, sich frühzeitig mit der Implementierung eines solchen Hinweisgebersystems auseinanderzusetzen, nicht nur, was die technischen Voraussetzungen betrifft, sondern auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, so in etwa mögliche Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats oder datenschutzrechtliche Anforderungen. Sprechen Sie uns gerne an.