Das Bundesarbeitsgericht hatte in der jüngeren Vergangenheit zahlreiche Verfahren mit unmittelbarem oder mittelbarem Bezug zur Geschlechterdiskriminierung zu entscheiden und geht dabei einen klaren Weg in Richtung Geschlechtergerechtigkeit.
In den Entscheidungen ging es sowohl um Verfahrensfragen zum Nachweis von Ungleichbehandlungen als auch um Fragen in Bezug auf die Rechtfertigung entsprechender Situationen. Der allgemeine Trend des BAG ist dabei klar: Es geht um mehr Geschlechtergerechtigkeit und um den Abbau verfahrensrechtlicher Hürden für die Geltendmachung und Wahrnehmung der vorhandenen Rechte.
Dass Männer und Frauen einen Anspruch auf Gleichbehandlung auch in Bezug auf das Entgelt haben, ist schon lange Teil des Gleichbehandlungsgrundsatzes und im Grundgesetz sowie in zahlreichen Gesetzen verankert. In der Vergangenheit scheiterten die praktische Umsetzung und Geltendmachung aber oft an der Beweisbarkeit oder an der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung.
Hier schlägt das BAG nunmehr einen klaren Weg ein. Dem BAG genügte es jüngst nicht einmal, wenn die Gehaltsvorstellungen der Bewerber:innen selbst unterschiedlich waren (Urteil vom 16. Februar 23–8 AZR 450/21). Als Differenzierungsmerkmal müsse ein tatsächlicher Differenzierungsgrund existieren, der sich nicht darin erschöpfen dürfe, dass unterschiedlich gut bzw. hart verhandelt wurde.
Weiterhin wurde festgestellt, dass schon allgemeine Darlegungen über eine unterschiedliche Behandlung bei Gehaltserhöhungen ausreichend sind, um den Ansprüchen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast zu genügen, sodass der Arbeitgeber in der Pflicht ist, die Behauptungen zu widerlegen.
Allerdings wird man von Mitarbeitenden, die in einem Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten tätig sind, ggf. auch erwarten können, dass sie in einem ersten Schritt von den Auskunftsrechten im Rahmen des Entgelttransparenzgesetzes Gebrauch machen und dort den vergleichbaren Mitarbeiterkreis benennen um Auskunft über die entsprechenden Entgelte zu erhalten.
Dieses Recht steht im Übrigen nicht nur Arbeitnehmer:innen zu, sondern auch arbeitnehmerähnlichen Personen (bspw. freie Mitarbeitende) – wie das BAG bereits im Jahr 2020 zu entscheiden hatte.
Fazit
Für die Arbeitgeber bedeutet diese Entwicklung, zukünftig nicht nur neu vereinbarte Gehälter im Blick zu behalten, sondern auch das bereits bestehende Gehaltsgefüge kritisch zu beleuchten und ggf. anzupassen. Im Falle einer begründeten Ungleichbehandlung ist es daher ratsam, den Grund in der Personalakte festzuhalten.
Insoweit wird es zukünftig an Bedeutung gewinnen, innerhalb eines Unternehmens klare Gehaltsstrukturen zu erstellen und nur begründete Ausnahmen zuzulassen. Das ist in Zeiten von Fachkräftemangel, der zu teilweise unverhältnismäßigen Gehaltsvorstellungen der Bewerber:innen führt, eine mitunter herausfordernde Aufgabe.
Dieser Artikel stammt aus unserem Mandantenmagazin Curacontact, das 4 x im Jahr aktuelle Themen für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft, für Öffentlichen Sektor und Kirche aufbereitet. Interesse? Jetzt kostenlos abonnieren!
Erfahren Sie auch mehr zu unserer Mandantenzeitschrift Curacontact.