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Kippt der Pflegemarkt?

Zinswende im Immobilienmarkt

Nach Pressemeldungen zur Insolvenz von Curata, der Convivo-Gruppe und Terragon hat der französische Pflegekonzern Orpea (unter den Top 5 in Deutschland) bis auf weiteres die Notierung seiner Aktien an der Börse ausgesetzt. Ende 2022 hatte Orpea Frankreich im Rahmen von umfangreichen Restrukturierungsmaßnahmen Verhandlungen über eine drastische finanzielle Umstrukturierung aufgenommen.

Die Zinswende hat den Immobilienmarkt deutlich abgekühlt. Neubauprojekte werden aufgrund von steigenden Baukosten und Zinsen verschoben oder gänzlich in Frage gestellt.

Die Erklärung für die Krisenursachen sind neben investorengetriebenen Überhitzungen bei Immobilientransaktionen, unternehmerischen Fehlentscheidungen aber auch in den exogenen Faktoren der aktuellen Rahmenbedingungen zu finden.

Hier sind u. a. Verweigerungshaltungen der Kostenträger anzuführen, die die sprunghaften Steigerungen im Bereich der Personal- und Sachkosten nicht als Begründung für eine außerordentliche Kündigung von Pflegesatzvereinbarungen zur Abwendung von Insolvenzen akzeptieren.

Belastungen ergaben sich insbesondere für private Träger durch die Umsetzung der Tariftreuepflicht zum 01.09.2022. Hier ist es den Trägern nicht immer gelungen, die entstandenen Mehrkosten in den Pflegesätzen zeitlich synchron vollständig abzubilden.

Der Anstieg der Heimentgelte hat in der Belegung auch zu einer Verschiebung von den Selbstzahlern zu dem Anteil der Sozialhilfeempfänger geführt. Häufig liegt der von den Sozialhilfeträgern vergütete Investitionskostensatz unterhalb der Sätze bei den Selbstzahlern. Der Bau eines Pflegeheimplatzes verursacht inzwischen Kosten von 180.000 Euro und mehr. Die von den Sozialhilfeträger akzeptierten Kostenreichwerte liegen in der Regel deutlich unterhalb, so dass sich in der Refinanzierung der Investitionskosten Defizite ergeben. Hier erweist sich auch als problematisch, dass die Sozialhilfeträger in der Kalkulation der Investitionskostensätze von einer Nutzungsdauer von 40 – 50 Jahren ausgehen. Die Refinanzierung der Abschreibungen mit Sätzen von 2,0% - 2,5% reicht nicht aus, um den Kapitaldienst einer Darlehensfinanzierung zu tragen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Einnahmen aus den Investitionskostensätzen häufig bei angemieteten Pflegeimmobilien nicht mehr ausreichen, die aufgrund von Wertsicherungsklauseln steigenden indexierten Mieten zu finanzieren (Overrent).

Die Verteuerung der Heimkosten ohne angemessene Nachjustierung bei den Pflegekassenzuschüssen hat sich neben Corona-bedingten Effekten auch negativ auf die Auslastung der Pflegeeinrichtungen ausgewirkt. Hier macht sich zusätzlich der horizontale und vertikale Wettbewerb bemerkbar. Mitunter wirken sich auch erhöhte Anforderungen an die Gebäudequalität (Stichwort 1-Bettzimmer, Bäderzugang) bei Bestandseinrichtungen negativ aus, da Heime schließen bzw. gezwungen sind, die Platzzahl zu reduzieren. Diese Entwicklungen haben Umsatzverluste zur Folge.

Ein weiterer Problemkreis besteht in erhöhten Krankenständen und dem zunehmenden Personalmangel, der zu Belegungseinschränkungen oder sogar -stopp durch die Heimaufsicht führt. bei Inanspruchnahme von Fremdpersonal aus Zeitarbeitsdienstleistern entstehen doppelte Personalkosten, die nicht refinanziert werden können.

Ab dem 1. Juli 2023 gelten neue Personalschlüssel in der stationären Pflege. Es bleibt abzuwarten, ob es den Pflegeeinrichtungen gelingen wird, die in diesem Zusammenhang auftretenden Mehrkosten entsprechend in den Pflegesätzen abzubilden. Weitere Konflikte bahnen sich in den Pflegesatzverhandlungen an, wenn nach Auslaufen des Energieschutzschirms im April 2024 die hohen Energiekostensteigerungen in den Pflegesätzen abzubilden sind.

In der Praxis sind nicht zweistellige Renditen zu Lasten des Sozialversicherungssystems in den Blick zu nehmen. Vielmehr ist in Erinnerung zu rufen, dass Pflegeheime einen gesetzlichen Anspruch haben, dass die Pflegesätze bei wirtschaftlicher Betriebsführung die Aufwendungen decken. Hiervon sind zahlreiche defizitäre Einrichtungen weit entfernt. Für gemeinnützige und private Träger besteht nunmehr auch eine gemeinsame Interessenlage, den gesetzlichen Anspruch auf eine angemessene Berücksichtigung ihres Unternehmerrisikos in der Vergütung durchzusetzen.

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