Interview: Nachhaltigkeit und Aufsicht

Marlehn Thieme, Präsidentin der Welthungerhilfe, im Gespräch über Nachhaltigkeit – mit interessanten Einblicken aus Bank und Aufsicht, aus Kirche und NPO

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Im Gespräch mit Marlehn Thieme

Nachhaltigkeit – dieses Thema ist hoch komplex und kann aus vielen Perspektiven betrachtet werden. Hierfür haben die ideale Gesprächspartnerin gefunden: Marlehn Thieme.

Die Zeit drängt...

Wer nicht tatkräftig loslegt, hat die nachhaltige Zukunft schon verloren!

Marlehn Thieme – Präsidentin der Welthungerhilfe

Über viele Jahre leitete sie als Vorsitzende den Rat für Nachhaltige Entwicklung und hat in dieser Funktion u. a. die Bundesregierung beraten. Darüber hinaus war Marlehn Thieme bereits von 2005 bis 2013 für das Thema Corporate Social Responsibility bei der Deutschen Bank zuständig, hat daher höchste Expertise, wie Verantwortung zugleich „bankable“ ist. Schließlich hatte sie als Mitglied im Rat der EKD und heute als Präsidentin der Welthungerhilfe einen besonderen Blick auf gesellschaftliche Verantwortung.

Teil 1 des Interviews ist veröffentlicht in Ausgabe 01/2022 unserer Mandantenzeitschrift Curacontact.

In dieser Ausgabe zum Schwerpunktthema Nachhaltigkeit finden Sie darüber hinaus Wissenswertes zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, zu Mobilitätskonzepten und vielem mehr.

Lesen Sie hier nun Teil 2 des Gesprächs:

Interview Teil 2

Gemeinwohlorientierung

Erste Kommunen gehen schon dazu über, Gemeinwohlorientierung als Entscheidungskriterium für Auftrags- oder Flächenvergaben zu nutzen. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein? Und direkt anschließend: Gehört eine solche Berichterstattung künftig auch in kirchlichen Unternehmen zur Bewertungsklaviatur?

Ich bin sicher, dass alle Bereiche, alle Branchen unserer Gesellschaft ihre wirtschaftlichen Entscheidungen in Zukunft nach Nachhaltigkeitskriterien treffen müssen, im staatlichen Vergaberecht und auch in der Prüfung durch die Rechnungshöfe ist das bereits angelegt. Es gibt auch schon Leitfäden für Nachhaltige Kommunen, das Wissen ist da, jetzt ist mehr denn je die Stunde der Umsetzung, wollen wir uns ehrlich machen – zum Beispiel auch in Sachen Klimawandelbekämpfung. Auch die kirchlichen Einrichtungen sind aktiv dabei: im Leitfaden für die nachhaltige Geldanlage sind sie schon viele Jahre Vorreiter, im Gebäudemanagement gibt es mit Zertifizierungssystemen (z.B. Grüner Hahn/Gockel) bewährte Instrumente für entscheidende Gremien.

Corporate Governance

Stichwort Corporate Governance: Wir wissen um Ihre Erfahrung in Aufsichtsgremien. Wie würden Sie als Aufsichtsratsmitglied sicherstellen, dass die Unternehmensführung Nachhaltigkeitsgrundsätze beachtet?

Der sog. „tone from the top“, wie man in der Wirtschaft sagt, macht die Musik eines Unternehmens. Das gilt auch für kirchlich-diakonische Unternehmen. Daher kommt es darauf an, dass Glaube und predigt zu Haltung und Handlung kommt. In der KD-Bank, in der ich Aufsicht führe, habe ich dies mit Überzeugung und Nachdruck nachweislich erfolgreich umsetzen können. Aber ich weiß auch, dass man dafür nicht nur einen Beschluss fassen muss, sondern es müssen die vielen täglichen Entscheidungen von vielen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sein – vom Papierverbrauch, über die Mobilität bis zum Gebäudemanagement und der Partizipation von stakeholdern, die es zu verändern gilt.

Finanzierungsentscheidung

Dies alles hat künftig unmittelbaren Einfluss auf ein Banken-Rating und damit letztlich auf Finanzierungsentscheidungen. Welche Kennzahlen würden Sie von Geschäftsführungen erwarten/sich vorlegen lassen, die auch „bankable“ sind?

Bei größeren Unternehmen sind konzise Strategien mit konkreten Zielen erforderlich, bei kleineren braucht es entsprechend weniger umfangreiche Angaben. Entscheidend ist, dass da nicht Papier für Papier beschrieben wird, sondern die „wesentlichen“ Themen wie Energieeffizienz oder Beschaffung, Mobilität erfasst werden, dass schnelle Erfolge dazu motivieren, auch längere Investitionszyklen umzusteuern. Je mehr Berichte da sein werden, umso mehr werden auch Vergleiche möglich sein. Ich erinnere nur an die Einführung des Bilanzwesens, das am Anfang auch sehr einfach war und sich bis heute zu sehr umfangreichen Systemen weiterentwickelt hat, aber dem Bilanzkundigen sofort ein Bild über die Lage des Unternehmens vermittelt.

Aufwand vs. Zielsetzung

Abschließend eine Frage, die man mit Blick auf die vielfältigen Bemühungen und die hehren Ziele, dennoch stellen muss: Bei Nachhaltigkeit geht es ja vielfach um ein gesundes Gleichgewicht. Wie ist Ihre Einschätzung – wie gut halten sich bürokratischer Aufwand und die eigentliche Zielsetzung die Waage?

Das Entscheidende ist, dass der bürokratische Aufwand – vergleichbar zu Bilanzen -Vertrauen aller Verantwortlichen in eine nachhaltige Wirtschaftsweise des Unternehmens schafft. Je mehr das Vertrauen - auch im Vergleich zu anderen - erkennbar ist, umso erfolgreicher wird das Unternehmen sein und umso weniger Bürokratie braucht es dafür. Diesen Wettbewerb braucht es dahermehr als Bürokratie!

Herzlichen Dank

Liebe Frau Thieme, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Das Interview wurde geführt von Tobias Allkemper und Daniela Heisig.

Sie haben Teil 1 verpasst? Hier finden Sie die Gesamtausgabe des Interviews.

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