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Geänderte Rechtsprechung zur Kalkulation von Abwassergebühren

Änderung des § 6 KAG NRW

Urteil des OVG NRW zur Kalkulation der Benutzungsgebühren

Das OVG NRW hatte mit Urteil vom 17. Mai 2022 eine seit 1994 feststehende Rechtsprechung zur Kalkulation von kommunalen Benutzungsgebühren geändert. In der bislang von Kommunen angewandten und von der Rechtsprechung anerkannten Ermittlung und Berücksichtigung von kalkulatorischen Abschreibungen und Zinsen bei der Gebührenkalkulation hatte der zuständige 9. Senat einen Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG NRW gesehen, der zu großer Rechtsunsicherheit bei den Kommunen geführt hat.

Reaktion des Gesetzgebers in NRW

Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat nun mit dem Gesetz zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften das Gebührenrecht an die geänderte Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts NRW zur Kalkulation von Abwassergebühren angepasst. Mit der Änderung und Ergänzung des § 6 des Kommunalabgabengesetzes (KAG NRW) wurde die durch die OVG-Entscheidung vom 17. Mai 2022 (Aktenzeichen 9 A 1019/2) geschaffene Rechtsunsicherheit beseitigt und das Gebührenrecht weiterentwickelt. Grundlegende Regelungen zu kalkulatorischen Abschreibungen und kalkulatorischen Zinsen sind nun unmittelbar im Gesetz zu finden. Damit bildet die ab dem 15. Dezember 2022 in Kraft getretene Änderung des KAG NRW die sichere Grundlage für eine örtliche Beschlussfassung über eine Gebührensatzung insbesondere im Abwasserbereich.

Kalkulatorische Abschreibung

Es ist nunmehr im Kommunalabgabengesetz gesetzlich fixiert worden, dass bei dem Ansatz von Abschreibungen nach dem Anschaffungs-/Herstellungswert oder Wiederbeschaffungszeitwert ein Wahlrecht (§ 6 (2) S. 2 Nr. 1 KAG NRW) besteht. Dieses Wahlrecht hatte das OVG NRW in dem Urteil vom 17. Mai 2022 ebenfalls vorgesehen und war in der Praxis weitgehend auch so schon gelebt worden.

Kalkulatorische Verzinsung

Es besteht ein Wahlrecht, ob ein einheitlicher Nominalzinssatz für Eigen- und Fremdkapital angesetzt wird oder getrennte Zinssätze für Fremdkapital einerseits und Eigenkapital andererseits angesetzt werden (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KAG NRW).

Bei der Anwendung eines einheitlichen Nominalzinssatzes für Fremd- und Eigenkapital, ergibt sich dieser aus dem 30jährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere. Bei einer gleichzeitigen Abschreibung nach dem Wiederbeschaffungszeitwert ist kein Abzug der allgemeinen Inflationsrate in Prozentsatzpunkten vorzunehmen. Dieses wird im Gesetzestext nicht so vorgegeben; im Gesetzeswortlaut des geänderten § 6 Abs. 2 KAG NRW ist von Nominalzinssatz die Rede. Der Nominalzinssatz beinhaltet aber bereits einen Ausgleich der allgemeinen Geldentwertung (so zur Definition: OVG NRW, Urteil vom 17.05.2022 – Az. 9 A 1019/20- Rz. 48 der Urteilsgründe). Der 30-jährige Zinssatz beträgt für das Jahr 2023 (Mittelwert 1992 bis 2021) 3,25 %.

Auch getrennte Zinssätze für Eigen- und Fremdkapital sind möglich. Bei dem Einsatz von Fremdkapital ist der Ansatz des durchschnittlichen Fremdkapitalzinssatzes zulässig (effektiver Jahreszins, Nominalzinssatz der Bank). Auch hier ist bei einer Abschreibung nach dem Wiederbeschaffungszeitwert kein Abzug der allgemeinen Inflationsrate in Prozentsatzpunkten vorzunehmen, weil dieses im Gesetzestext nicht vorgegeben wird.

Bei dem Einsatz von Eigenkapital ist der Ansatz des Nominalzinssatzes zulässig, der sich aus dem 30-jährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere ergibt. Auch bei einer Abschreibung nach dem Wiederbeschaffungszeitwert muss hier kein Abzug der allgemeinen Inflationsrate in Prozentsatzpunkten erfolgen.

Und nun? - Alles rechtssicher?

Die Landesregierung NRW hat mit dem Gesetzentwurf Neuregelungen bei den kommunalen Benutzungsgebühren getroffen, die vor allem darauf abzielen, dass weiterhin mit dem Gebührenaufkommen Überschüsse erwirtschaftet werden können. Damit besteht die dringend benötigte Rechtssicherheit, um die Gebührensatzungen erlassen zu können. Diese Neuregelung wird nun allerdings wiederum vom Bund der Steuerzahler NRW kritisiert, der argumentiert, dass diese Überschüsse nun weiterhin vielfach als allgemeine Deckungsmittel im Kernhaushalt dienen würden und somit im Ergebnis die Funktion einer Steuer übernähmen. Der Steuerzahlerbund führt dabei aus, dass die Neuregelung auch – wie die bis 17. Mai 2022 vielerorts gelebte Praxis bei der Gebührenkalkulation – § 6 Absatz 1 Satz 3 KAG NRW, nach dem das veranschlagte Gebührenaufkommen die voraussichtlichen Kosten der Einrichtung oder Anlage nicht übersteigen soll, widerspricht. Es ist also nicht auszuschließen – so der Steuerzahlerbund – dass neue gerichtliche Verfahren zu erwarten sein werden.

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