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Hinweisgebersystem wird Unternehmenspflicht

Auch für Kirchen und Gemeinden

Aufgrund der Hinweisgeber-Richtlinie (EU) 2019/1937, auch Whistleblower-Richtlinie genannt, sind die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verpflichtet, den Schutz von Personen, die im Kontext ihrer beruflichen Tätigkeit Verstöße gegen geltendes (europäisches) Recht wahrnehmen und melden, auf nationaler Ebene zu gewährleisten.

Trotz der am 17. Dezember 2021 abgelaufenen Frist von zwei Jahren für die Verankerung im nationalen Gesetzesregime, konnte sich der deutsche Gesetzgeber bis zum aktuellen Zeitpunkt nicht zur finalen Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht durchringen.

Da allerdings Ende Januar 2022 ein Vertragsverletzungsverfahren durch die Europäische Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen des Verstreichenlassens der Umsetzungsfrist eingeleitet wurde, ist nunmehr die zeitnahe Transformation der Richtlinie in nationales Recht absehbar.

Für Kommunen und Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts dürfte(n) die europäische Hinweisgeber-Richtlinie bzw. einzelne Bestimmungen aus dieser allerdings auch ohne nationale Umsetzung bereits seit dem 18. Dezember 2021 unmittelbare Wirkung entfalten. Eine solche tritt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Bereich des öffentlichen Sektors ein, wenn die Richtlinie nicht fristgerecht in nationales Recht transformiert wurde und der jeweilige Inhalt der Richtlinie hinreichend genau und inhaltlich unbedingt ist. In weiten Teilen der Hinweisgeber-Richtlinie dürften diese Voraussetzungen erfüllt sein, da sich die verantwortlichen Stellen der EU um klare Standards und einheitliche Definitionen bemüht haben.

Als Mindestschutz erwartet die Richtlinie von den nationalen Gesetzgebern, dass kleine und große Unternehmen

  • ab fünfzig Mitarbeitenden,
  • juristische Personen des öffentlichen Sektors,
  • Behörden sowie
  • Gemeinden ab 10.000 Einwohnern

zur Einrichtung sicherer Kanäle für die Meldung von Missständen in Form von Rechtsverstößen verpflichtet werden. Da die Einführung einer nationalen Untergrenze jedoch als Ausnahmemöglichkeit formuliert wurde, von welcher der nationale Gesetzgeber Gebrauch machen muss, um diese zu implementieren, dürfte nach der aktuellen Rechtslage die Verpflichtung zum Betrieb dieser sicheren Meldekanäle – jedenfalls bis zur Umsetzung in deutsches Recht – auch für kleinste juristische Personen des öffentlichen Rechts gelten.

Inhaltlich abgezielt wird durch die Richtlinie beispielsweise auf die geschützte Gelegenheit zur Offenbarung von Verstößen im Bereich öffentliche Gesundheit, Verbraucherschutz, Umweltschutz, öffentliches Auftragswesen oder Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten. Zur Meldung etwaiger Rechtsverletzungen haben die durch den persönlichen Anwendungsbereich betroffenen Stellen mündliche, schriftliche oder persönliche und auf Wunsch auch anonyme Hinweise zu ermöglichen.

Zwar liegt die Art des einzurichtenden Meldeweges im Ermessen des Unternehmens/der öffentlichen Stelle, jedoch muss nach den Vorgaben der Richtlinie die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers sichergesellt werden. Gängige Meldekanäle können dabei spezielle Briefkästen, E-Mail-Accounts, Telefon-Hotlines, digitale Meldesysteme oder beauftragte und der Vertraulichkeit unterworfene Personen sein.

Auf der nächsten Stufe ist sodann die ordnungsgemäße Eingangsbestätigung der Meldung binnen sieben Tage sowie eine Rückmeldung an den Hinweisgeber innerhalb von maximal drei Monaten zu gewährleisten.

Obwohl mit der Implementierung eines Hinweisgebersystems ein nicht unerheblicher organisatorischer Aufwand einhergehen mag (denkt man beispielsweise an die Beteiligung der Arbeitnehmervertretungen) sollte auch dessen Nutzen nicht verkannt werden. Durch die Chance, Meldeprozesse zu steuern und auf Rechtsverstöße zunächst intern reagieren zu können, können z.B. Prozesse optimiert oder finanzielle Schäden durch Früherkennung vermieden werden.

Negativer Publicity, die sichere Folge von Verlautbarungen öffentlicher statt internen Meldungen wäre, kann vorgebeugt werden. Die frühe Erkennung von Missständen dürfte auch eine mögliche unternehmerische Haftung auf Führungs- und Aufsichtsebene signifikant minimieren.

Da es sich bei der verpflichtenden Einführung eines Hinweisgebersystems aufgrund der bevorstehenden Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht nicht mehr um die Frage des „Ob“, sondern lediglich des „Wann“ dreht und sich eine Verpflichtung des öffentlichen Sektors auch ohne Umsetzung aus der Richtlinie selbst ergeben dürfte, kann die Auseinandersetzung mit diesem Thema nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden.

Die Hinweisgeber-Richtlinie lässt jedoch die verpflichteten Einrichtungen nicht allein im Regen stehen, denn die Richtlinie gestattet es, externe Dienstleister sowohl für die Einrichtung als auch für den dauerhaften Betrieb der Meldekanäle zu beauftragen. Eine auf die Unternehmensbedürfnisse angepasste und den gesetzgeberischen Vorgaben entsprechende Implementierung eines Hinweisgebersystems kann in dieser Form sichergestellt werden.

Wir stehen Ihnen hierbei sowohl bei der internen Implementierung eines Hinweisgebersystems als auch als externe Hinweisgeberstelle zur Verfügung. Jetzt Kontakt aufnehmen!