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Reform des ermäßigten Umsatzsteuersatzes

Weitere Vorteile für gemeinnützige Kooperationen

Die Reform des ermäßigten Umsatzsteuersatzes durch das Wachstumschancengesetz

Der erweiterte Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) UStG ist im Gesetzgebungsverfahren auf große Bedenken gestoßen. Die nun vom Bundesrat am 22. März 2024 verabschiedete Neuregelung sieht vor, dass die umsatzsteuerrechtlich bisher pauschal vorgesehene Wettbewerbsprüfung für allgemeine Zweckbetriebe nach § 65 AO entfällt.

Begründet wird diese Änderung mit der bereits gemeinnützigkeitsrechtlich erforderlichen Wettbewerbsprüfung, die für Zwecke der Umsatzbesteuerung nicht wiederholt werden soll.

Denn § 65 Nr. 3 AO sieht vor, dass ein allgemeiner Zweckbetrieb nur dann gegeben ist, wenn er „der Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist.“

Erst wenn ein Zweckbetrieb (in der Vergangenheit z. B. eine Beschäftigungsgesellschaft für Teilnehmer:innen einer Qualifizierungsmaßnahme) diese Voraussetzung erfüllt, kann der ermäßigte Steuersatz auf diese Zweckbetriebe zukünftig nach dem Willen des Gesetzgebers ohne nochmalige Wettbewerbsprüfung angewandt werden. Auch Kooperationsleistungen nach § 57 Abs. 3 AO z.B. durch Zwischenschaltung einer Servicegesellschaft, sind von der Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes nicht ausdrücklich ausgenommen worden.

Folglich ist für Zweckbetriebe im Sinne des § 65 AO, die als solche schon einer Wettbewerbsschranke unterliegen, die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nunmehr ohne erneute Prüfung der Wettbewerbsrelevanz anwendbar. Der Bundesrat hegte jedoch Bedenken, da dies auch Gestaltungsmöglichkeiten für Kooperationsleistungen gemeinnütziger Kooperationen gem. § 57 Abs. 3 AO eröffnet.

Im Fokus steht dabei die Zwischenschaltung gemeinnütziger Servicegesellschaften, die Leistungen an nicht vorsteuerabzugsberechtigte gemeinnützige Abnehmer erbringen. Diese Gesellschaften hätten im Ergebnis die Möglichkeit einen Vorsteuerabzug von 19 % für ihre Eingangsleistungen geltend zu machen, während die Abrechnung der eigenen Leistung lediglich mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % erfolgt.

Die Bedenken werden seitens der Bundesregierung nicht geteilt, da ungerechtfertigte Wettbewerbsverzerrungen und missbräuchliche Gestaltungen nicht zu erwarten seien. Vor dem Hintergrund der explizit geführten Diskussion kann die neue gesetzliche Regelung unseres Erachtens grundsätzlich auch von gemeinnützigen Servicegesellschaften für Kooperationsleistungen unter Anwendung des § 57 Abs. 3 AO angewandt werden.

Mit der Reform des § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG wird zudem ein neuer Satz 4 aufgenommen, welcher klarstellt, dass nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) UStG begünstigte Leistungen sowohl vorliegen, wenn die von Begünstigung erfassten Personen Empfänger der Leistung sind als auch, wenn sie daran mitwirken. Die Regelung geht auf Erwägungsgründe zur Richtlinie (EU) 2022/542 vom 5. April 2022 zurück, aus welchen hervorgeht, dass für die Steuerermäßigung nicht allein auf den Leistungsempfänger im umsatzsteuerrechtlichen Sinne abzustellen ist.

Als Reaktion auf die restriktive Rechtsprechung hatte der Unionsrechtsgesetzgeber mit der Anpassung von Nr. 15 in Anhang III zu Art. 98 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie bereits die Voraussetzungen für die nunmehr vorgenommene nationalrechtliche Klarstellung geschaffen. Lesen Sie für weitere Informationen auch unseren Beitrag Umsatzsteuer in der Eingliederungshilfe.

Auswirkungen und Fragestellungen für die Praxis

Die neue Rechtslage eröffnet gemeinnützigen Körperschaften die Möglichkeit, für Kooperationsleistungen nach § 57 Abs. 3 AO den ermäßigten Umsatzsteuersatz anzuwenden und damit zugleich einhergehende Vorsteuerpotenziale zu nutzen. Weder aus der Gesetzesbegründung noch aus der Stellungnahme der Bundesregierung ist zu entnehmen, dass Kooperationsleistungen von der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ausgeschlossen sein sollen. Dies ist mit Blick auf die gelebten Kooperationsstrukturen gemeinnütziger Körperschaften sehr zu begrüßen.

Wie bei jeder Gesetzesänderung, bleiben auch hinsichtlich der Reform des ermäßigten Umsatzsteuersatzes Fragen offen. Diese beziehen sich vornehmlich auf Abgrenzungsfragen hinsichtlich der zukünftigen Reichweite des ermäßigten Steuersatzes insbesondere auf die gemeinnützigkeitsrechtliche Prüfung (Zuordnung zum Zweckbetrieb und Reichweite des Wettbewerbsschutzes nach § 65 Nr. 3 AO), so dass stets eine fallbezogene Prüfung angezeigt ist. Unklar ist z. B. mit Blick auf das unionsrechtliche Gesetzgebungsverfahren, welche Bedeutung die Rechtsprechung dem Wettbewerbsschutz bei Konkurrentenklagen tatsächlich beimessen könnte. Daher empfiehlt es sich die Umstellung auf den ermäßigten Umsatzsteuersatz bei Kooperationsleistungen im Zweifel nicht ohne vorherige verbindliche Abstimmung mit der Finanzverwaltung durchzuführen. Höchst vorsorglich sollten sich Leistungserbringer im Zweifel geeignete vertragliche Regressmöglichkeiten gegenüber ihren Kooperationspartnern vorbehalten. Es steht zu erwarten, dass das BMF die bestehenden Zweifelsfragen in Kürze in einem Anwendungsschreiben bundeseinheitlich regeln wird.

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