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Umsatzsteuerfreie Abrechnung von Krankentransporten

BFH-Urteil zur Umsatzsteuer

Der Bundesfinanzhof hat mit seinem Urteil vom 24.02.2021 (Az. XI R 32/20; veröffentlicht am 17.06.2021) neue Leitlinien für die umsatzsteuerliche Beurteilung mittelbarer Leistungsbeziehungen formuliert.

Der Fall

Ein gemeinnütziger Verein wurde durch Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages vom Landkreis mit der Durchführung des öffentlichen Rettungsdienstes betraut. Der Verein wickelte die Abrechnung seiner Leistungen selbständig mit den Kostenträgern ab.

Im Jahr 2012 verlangten die Sozialleistungsträger, dass aus Kostengründen in jedem Landkreis nur noch eine Abrechnungsstelle vorgehalten wird. Daher wurde der Verein beauftragt, neben der Abrechnung der eigenen Einsätze auch die Abrechnungen für vier andere gemeinnützige bzw. öffentliche-rechtliche Leistungserbringer in den Bereichen Rettungsdienst und Krankentransport zu übernehmen.

Das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern entschied zunächst, dass diese Abrechnungsleistungen für Dritte weder nach nationalem noch nach europäischem Recht von der Umsatzsteuer befreit seien.

Das Urteil

Der Bundesfinanzhof ließ die Anwendbarkeit der nationalen Umsatzsteuerbefreiungen offen und konzentrierte sich in seinem Urteil das EU-Recht, konkret auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie. Für diese Steuerbefreiung müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Es muss sich um eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen handeln,
  2. die durch eine Einrichtung des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung bewirkt werden.

Der BFH sah die Abrechnungsleistungen des Vereins für andere Leistungserbringer als eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen an, da diese für die jeweils abgerechnete Leistung selbst unerlässlich sei.

Damit übernimmt der BFH die Urteilsgrundsätze des EuGH und weicht so von seiner bisherigen Linie ab. Bislang vertrat der BFH die Ansicht, dass eine Leistung nur dann nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL steuerfrei sein konnte, wenn der Leistungserbringer unmittelbar gegenüber der hilfsbedürftigen Person tätig wurde. Der EuGH hatte geurteilt, dass die Mehrwertsteuerbefreiung von Dienstleistungen nicht davon abhängt, an wen diese erbracht werden, sofern sie einen für die Durchführung der Maßnahmen der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit unerlässlichen Schritt darstellen und ihre Belastung mit der Mehrwertsteuer daher zwangsläufig dazu führen würde, die Kosten der genannten Umsätze zu erhöhen (EuGH-Urteil Finanzamt D, EU:C:2020:811, Rz 36).

Auch die zweite Voraussetzung sah der BFH als gegeben an. Der Verein sei auch in Bezug auf die streitigen Abrechnungsleistungen als Einrichtung mit im Wesentlichen sozialem Charakter anzusehen, da die Kosten durch die Sozialleistungsträger übernommen wurden und diese Übernahme auf speziellen vertraglichen Grundlagen beruhte.

Somit wurde das Urteil des FG Mecklenburg-Vorpommern aufgehoben und die Leistung nach EU-Recht umsatzsteuerfrei gestellt.

Hinweis: Das Verfahren wegen Körperschaft- und Gewerbesteuer wurde abgetrennt und an den V. Senat des Bundesfinanzhofs abgegeben. Dort ist das Verfahren unter dem Aktenzeichen V R 19/21 anhängig.

Fazit

Die Rechtsprechung geht den Weg der Erweiterung des Anwendungsrahmens der Steuerbefreiungen nach der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie konsequent fort. Bereits im Jahr 2011 ging der BFH den ersten Schritt, indem er auf eine unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen dem Leistungserbringer und der hilfsbedürftigen Person verzichtete, wenn die Leistung unmittelbar an diese Person erbracht wurde. Mit dem aktuellen Urteil geht die Rechtsprechung nun sogar noch einen Schritt weiter, indem er nun auch eine unmittelbare Leistungsbeziehung für entbehrlich erachtet, sofern die Leistung für die Durchführung der steuerfreien Maßnahme unentbehrlich ist.

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