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Inklusionsbetriebe und Quote

(Keine) Klarheit?

In einem Urteil vom 27.02.2020 (NV) hat der BFH den Leitsatz aufgestellt, dass Beschäftigte einer Werkstatt für behinderte Menschen, die im Rahmen ausgelagerter Arbeitsplätze für einen Integrationsbetrieb tätig werden, unter bestimmten Voraussetzungen bei der Ermittlung der 40%-Beschäftigungsquote zu berücksichtigen sein können. Mit der Zurückverweisung an das vorinstanzliche FG zur Prüfung der Frage, dass dafür in Bezug auf die Beschäftigten eine Arbeitnehmereigenschaft bei der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) nachgewiesen werden muss, gibt der BFH u. E. jedoch zu erkennen, dass er dem Konzept ausgelagerter Arbeitsplätze eine aus Sicht der Praxis verfehlte Auslegung zuordnet. 

Der Urteilsfall

Im Streitfall betrieb ein gemeinnütziger Verein eine von der BA anerkannte WfbM und über eine Tochter-gGmbH zugleich einen Inklusionsbetrieb. Nach Auffassung der Finanzverwaltung wie auch des FG Niedersachsen erreichte der Inklusionsbetrieb nicht die für einen Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 3 c AO erforderliche 40%-Beschäftigungsquote, da die Beschäftigten der WfbM mangels Anstellungsverträge zum Inklusionsbetrieb keine „Betriebsbeschäftigten“ seien.  

Entspricht diese Betrachtung dem Grundsatz der Integration? Ist es die gesetzgeberische Intention, für die Anerkennung von Integrationsbetrieben als Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 3 c AO als „Beschäftigte“ nur solche Personen zu berücksichtigen, die arbeitsrechtlich als Arbeitnehmer zu werten sind?

Fragen zum Urteilsfall

Gerade die Integration von Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt sollte durch zusätzliche Anreize gefördert werden. Meist sprechen sozialrechtliche Gründe gegen eine direkte Festanstellung von Menschen mit Behinderung aus der Werkstatt beim Integrationsbetrieb. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass Integrationsbetriebe leistungsfähigen Menschen mit Behinderungen eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt bieten. Warum sollten Menschen mit Behinderung, die aus verschiedenen Gründen im Integrationsbetrieb beschäftigt werden, dort aber nicht angestellt sind, nicht für die Beschäftigungsquote berücksichtigt werden?

Der Grundgedanke eines Integrationsbetriebs sollte u. E. bei der Berechnung der 40 %- Quote nicht außer Acht gelassen werden.

Das Urteil

Dieser Ansicht bzw. dieser Einschätzung folgt der BFH in seinem Urteil. Danach wird ein schwerbehinderter Mensch, der im Rahmen einer Maßnahme zur Förderung des Übergangs aus der Werkstatt für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 5 Abs. 4 S. 1 der Werkstättenverordnung) beschäftigt wird, auch für diese Zeit auf die Zahl der Pflichtarbeitsplätze angerechnet.

Der Einsatz von Menschen mit Schwerbehinderung in einem Integrationsprojekt führt zudem nicht nur zu einer Erhöhung der Anzahl der dort mit Schwerbehinderung Beschäftigten, sondern auch zu einer Erhöhung der Gesamtzahl der Beschäftigten. Menschen aus der Werkstatt für behinderte Menschen, die in einem Integrationsbetrieb beschäftigt werden, sind demnach sowohl im „Zähler“, als auch im „Nenner“ für die Berechnung der 40 %-Quote zu berücksichtigen.

Fraglich bleibt bei der Entscheidung des BFH, warum dieser für die Quotenberechnung fordert, dass nur Beschäftigte angerechnet werden können, die über einen Anstellungsvertrag bei der WfbM verfügen.

Das widerspricht aus unserer Sicht zunächst dem Grundgedanken des § 219 Abs.1 Satz 5 SGB IX, der WfbM dazu verpflichtet, zum Zwecke des Übergangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt auch sog. „ausgelagerte Arbeitsplätze“ entweder zum Zweck des Übergangs oder als dauerhaft ausgelagerte Plätze anzubieten.

Die Mehrheit der Menschen mit Behinderungen stehen zu ihrer WfbM typischerweise in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis, begründen also keinen „eigenen“ Anstellungsvertrag bei der WfbM und wären damit nach der Begründung des BFH bei dem Integrationsbetrieb nicht anrechnungsfähig. Dieses Ergebnis widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass in der Praxis nur besonders leistungsfähige Werkstattbeschäftigte trotz ihres Rehabilitanden-Status auf ausgelagerten Arbeitsplätzen eingesetzt werden, wenn sie in hohem Maße mit einem „verwertbaren Arbeitsergebnis“ zur Wertschöpfung des Betriebs beitragen. Der Wert dieser Arbeitsleistung ist zudem klar zu bemessen, da der Inklusionsbetrieb der WfbM für die Arbeitsleistung des Werkstattbeschäftigten auf vertraglicher Grundlage ein Arbeitsentgelt zahlt. Damit dürfte ein „Beschäftigungsstatus“ auch für Werkstattbeschäftigte ohne Anstellungsvertrag zur WfbM im Verständnis des § 68 Nr. 3 c AO aus unserer Sicht hinreichend begründet sein. 

Eine Klarheit über die Berechnung der Beschäftigungsquote des Zweckbetriebs ist durch die Entscheidung des BFH wohl weiterhin nicht eindeutig gegeben, da sie mit der Forderung nach eigenen Anstellungsverträgen bei der WfbM die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistungdieser Personengruppe aus unserer Sicht in Abrede stellt. Es bleibt zu wünschen,  dass das FG Niedersachsen die vom BFH geforderte Prüfung im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zugunsten der Anrechenbarkeit klärt.

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