§ 34c KHGG NRW: Datenschutz bei Patientenakten
Das Land Nordrhein-Westfalen hat mit der Zielsetzung, den Datenschutz bei Patientenakten besser zu gewährleisten, eine Regelung zur Sicherung von Patientenunterlagen in § 34c in das Krankenhausgestaltungsgesetz NRW (KHGG NRW) eingefügt. Die Notwendigkeit für eine solche Regelung sah die Landesregierung insbesondere durch einen Vorfall aus Mai 2020, der für Schlagzeilen gesorgt hatte. Eine Person war in ein bereits seit 2010 geschlossenes Krankenhausgebäude in Büren bei Paderborn eingedrungen und hatte die im Keller des – im Übrigen leerstehenden – Gebäudes gelagerten Patientenakten gefilmt und das Video anschließend im Internet veröffentlicht. Die Stadt Büren musste zur Sicherung der Patientenakten einspringen, da der Eigentümer der ehemaligen Krankenhausimmobilie auch nach einem Gerichtsverfahren nicht zur sofortigen Sicherung der Akten verpflichtet werden konnte.
Nach § 34c KHGG NRW sind die Krankenhausträger verpflichtet, auch bei insolvenzbedingter Schließung eines Krankhauses Patientenunterlagen unter Beachtung der individuellen gesetzlichen Aufbewahrungsfristen und der datenschutzrechtlichen Vorgaben sicher aufzubewahren und für die betroffenen Patienten verfügbar (Einsicht/Herausgabe) zu halten.
Hierzu sollen alle Krankenhäuser Sicherungsmaßnahmen für den Fall der Insolvenz ergreifen und diese den zuständigen oberen Aufsichtsbehörden nach § 11 Abs. 4 KHGG NRW (Bezirksregierungen) im zweijährigen Rhythmus nachweisen. Die Regelung ist seit März 2021 in Kraft und hat in der Praxis bereits vielfach dazu geführt, dass die Krankenhausträger in Nordrhein-Westfalen von den für sie zuständigen Bezirksregierungen aufgefordert wurden, nachzuweisen, welche Maßnahmen sie zur Sicherung von Patientenunterlagen im Falle der Schließung eines Krankenhauses getroffen haben.
Zwei Kern-Fragestellungen: Konzeption und Finanzierung
In Anbetracht der gesetzlichen Verpflichtung aus § 34c KHGG NRW stellen sich dem Krankenhausträger im Wesentlichen zwei Fragestellungen, wie er die Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit von Patientenakten im Falle einer insolvenzbedingten Schließung eines Krankenhauses zu gewährleisten beabsichtigt:
1. Es ist zum einen eine konzeptionelle Fragestellung, da im Falle der insolvenzbedingten Schließung eines Krankenhauses nicht selten insbesondere die datenschutz- und gesellschaftsrechtliche Verantwortlichkeit wechselt. Mithin muss neben dem Aspekt der Finanzierung geklärt werden, welcher Akteur nach Schließung des Krankenhauses in concreto einerseits die Akten vor dem Zugriff von Unbefugten sichert und andererseits den Patienten selbst die Möglichkeit einräumt, innerhalb der Aufbewahrungsfristen auf ihre Akten zugreifen zu können. Diese Pflichten dürften im Rahmen der Insolvenz allerdings zunächst den Insolvenzverwalter treffen. Im Falle der Einstellung des Insolvenzverfahrens gemäß § 211 InsO endet die Verpflichtung jedoch mit entsprechender Einstellungsentscheidung.
Da ärztliche Aufzeichnungen für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren sind, soweit nicht nach gesetzlichen Vorschriften eine längere Aufbewahrungspflicht besteht (vgl. § 10 Abs. 3 MBO-Ä, § 630f Abs. 3 BGB) und § 36 Abs. 2 Nr. 1, 2. Hs. InsO insoweit klarstellt, dass die gesetzlichen Pflichten zur Aufbewahrung von Unterlagen in der Insolvenz unberührt bleiben, bedarf es auch einer konzeptionellen Lösung über den Wechsel der Verantwortlichkeit auf den Insolvenzverwalter hinaus.
Zudem muss geklärt sein, wie die Löschung der Daten nach Ende der Aufbewahrungsfristen sichergestellt wird. Es liegt auf der Hand, dass es mit einem bloßen Lösch- oder Vernichtungskonzept nicht getan sein kann.
Eine besondere Herausforderung sehen wir in der Bestimmung eines verantwortlichen Akteurs, der die Pflichten hinsichtlich der Patientenakten über die genannten langfristigen Zeiträume hinweg für den insolventen Krankenhausträger sachgerecht erfüllen soll. Bei Krankenhäusern im Rahmen eines Krankenhausverbundes könnte es naheliegend sein, das Konzernmutterunternehmen oder andere Konzernunternehmen zu bestimmen. Aber diese Option besteht nicht für alle Krankenhäuser. Daher hielten wir es für sehr hilfreich, wenn hierfür landesweit vom MAGS eine einheitliche Stelle, z. B. das MAGS selbst oder eine Bezirksregierung, bestimmt würde.
2. Zum anderen stellt sich die Frage nach einer insolvenzgesicherten Finanzierung der gewählten konzeptionelle Umsetzung.
Allgemein gilt, dass für den künftigen Aufwand aus der gesetzlichen Verpflichtung, die Geschäftsunterlagen aufzubewahren eine Verbindlichkeitsrückstellung zu bilden ist. Der Rückstellungsbildung steht nicht entgegen, dass zur Erfüllung der Aufbewahrungsverpflichtung Dauerschuldverhältnisse für den Aufbewahrungszeitraum geschlossen werden (Mietvertrag zur Lagerung, Wartungsvertrag zur Instandhaltung der Datenverarbeitungsanlagen). Dies sind zwar schwebende Geschäfte, die jedoch eigenständig zu beurteilen sind und sich nicht auf die Verpflichtung zur Aufbewahrung auswirken.
Rückstellungen sind grundsätzlich in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrags zu bewerten (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB). Durch die Verwendung des Begriffs „Erfüllungsbetrag“ wird klargestellt, dass bei der Bewertung Preis- und Kostenentwicklungen zu berücksichtigen sind, die sich bis zum voraussichtlichen Erfüllungszeitpunkt der Verpflichtung(en) vollziehen. Dazu gehören auch die voraussichtlich anfallenden internen Aufwendungen. Die Kosten umfassen die internen Einzelkosten und die an Dritte zu bezahlenden Beträge. Die Abzinsung der Rückstellungen erfolgt nach Maßgabe von § 253 Abs. 2 HGB.
Der Verpflichtung aus § 34c KHGG NRW, wonach die Sicherungsmaßnahmen auch nach insolvenzbedingter Schließung eines Krankenhauses während der individuellen Aufbewahrungsdauer aufrechterhalten werden müssen, folgt die Notwendigkeit, dass entsprechende finanzielle Mittel für die zweckentsprechende Verwendung bereitstehen und mithin vor einem Zugriff durch die übrigen Gläubiger des bilanzierenden Krankenhausträgers zu schützen sind (Insolvenzsicherheit). Ob die notwendigen finanziellen Mittel durch eine bereits bestehende Archivierungsrückstellung bilanziell gedeckt sind, wird im Einzelfall zu beurteilen sein. Das Gesetz enthält keine abschließende Festlegung, was unter einer geeigneten Insolvenzabsicherung zu verstehen ist, sodass der Krankenhausträger beispielsweise in Analogie zu dem in der Praxis zum Insolvenzschutz für Wertguthaben aus Altersteilzeit entwickelte Vorgehen auf eine Vielzahl geeigneter Insolvenzsicherungsmodelle zurückgreifen kann. Dies sind etwa:
- Bankbürgschaften,
- Verpfändung von Wertpapierdepots,
- Absicherungen im Wege dinglicher Sicherheiten zu Gunsten der Berechtigten,
- bestimmte Versicherungsmodelle der Versicherungswirtschaft (Rückdeckungsversicherungsansprüche, ohne einseitiges Verwertungsrecht des bilanzierenden Krankenhausträgers) oder
- spezielle Treuhandmodelle (doppelseitige Treuhand, bestehend aus Verwaltungs- und Sicherungstreuhand).
Für den konkreten Anlass und Zweck dürften vor allem entsprechende Versicherungsmodelle als praxistauglich angesehen werden. Dabei sollte der entsprechende Versicherungsvertrag im Insolvenzfall nicht nur die Archivierungskosten abdecken, sondern auch die Aufwendungen für die sachverständige Bescheidung von Einsichtsgesuchen während der Dauer der Aufbewahrungsfrist umfassen. Denn ohne ärztlichen Sachverstand kann dem Einsichtsrecht des Patienten gemäß § 630g BGB nicht sachgerecht entsprochen werden. Dabei könnten dem Rechtsgedanken des § 56 Abs. 2 BNotO entsprechend die Ärztekammern autorisiert werden, Ärzte mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben zu betrauen.
Für welches Modell sich ein Krankenhausträger auch entscheidet: Durch die im §34c KHGG NRW neu geschaffene gesetzliche Verpflichtung einer Insolvenzsicherung des zukünftigen Archivierungsaufwands für Patientenakten werden zusätzliche Kosten für alle Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen generiert, obwohl die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Inanspruchnahme der Insolvenzsicherung u. E. als sehr gering einzustufen ist.
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